Orkenspalter und der Mythos, Cthulhu (Rezension)

Orkenspalter und der Mythos ist eine schöne Sammlung von Szenarien, die es schon vor ihrer Veröffentlichung in Videoform anzusehen gab.

Wie gut Mháire darin ist, komplexe Sachverhalte auf das Wichtige zu reduzieren und Menschen zu porträtieren, ist mir erst aufgefallen, als ich das Actual Play von Die Masken des Nyarlathotep (Achtung: Mega-Spoiler!) von Orkenspalter TV gehört habe. Da wir die Kampagne auch gerade spielen und ich aus erster Hand weiss, wie komplex diese Monsterkampagne ist, kann ich das beurteilen. Was sie weglässt und mit welcher Selbstsicherheit sie das Ding hörspieltauglich macht, ist bemerkenswert.

In der Anthologie «Orkenspalter und der Mythos» sind fünf Abenteuer enthalten, die zum Teil an Rollenspiel-Conventions entwickelt und/oder vor der Kamera gespielt wurden. Erst danach wurden sie für diesen Softcover-Band von Pegasus Spiele aufbereitet.

Die fünf Abenteuer im Kurzüberblick:

Die Himmelfahrt

«Eine Seefahrt, die ist lustig, eine Seefahrt, die ist…» Die Himmelfahrt. Das Himmelfahrtskommando. Kommt der Name daher?

Es gibt eine Menge optionaler Bestandteile im Abenteuer «Die Himmelfahrt» und die Charaktere (NSC wie vorgeschlagene SC) sind wunderbar dreidimensional. Die Anlage ist etwas albern oder fast ein wenig pulpig (von Pulp), was ich ja mag, da ich mit James Bond und Indiana Jones aufgewachsen bin.

Im Laufe des Abenteuers kommt eine Stelle, an der 1W2 gewürfelt werden soll. Echt jetzt? Warum sollte man einen W2 würfeln? Und auch noch um eine Dauer festzulegen. Den W2 gibt es im Cthulhu-Starterset nicht. Und auch sonst: ob es nun eine oder zwei Stunden in-game sind. Spielt es eine Rolle?

Der Jahrmarkt von Gillingham

Hier wird es brandgefährlich. Jedenfalls ist die Feuerwehr zur Stelle. Ein Szenario, das nicht von sich aus chronologisch-linear verläuft, sondern Personen, Lokalitäten und Informationen hat, die in beliebiger Reihenfolge abgeklappert und in verschiedenem Ausmass verfolgt werden können. Viele, viele, viele Informationen, übrigens.

Was mir bei diesem Abenteuer überhaupt nicht einleuchtet, ist warum sich die Investigatoren überhaupt für all die Geschehnisse im Dorf interessieren sollten. Vielleicht habe ich hier den zündenden Funken verpasst, aber sie haben einen Auftrag oder auch nicht, es geschehen nicht so ausserweltliche Dinge, dass man denen neugierig auf den Grund gehen würde und alles was passiert, geht die Investigatoren nichts an, ausser sie wollen sich in einer fremden Stadt unbedingt in alles einmischen, was sie zufällig antreffen. Ich werde mir das Let’s Play dazu ansehen müssen.

Walisisches Potpourri

DAS ist das Abenteuer, welches mich wieder zum Rollenspiel gebracht hat. Dafür bin ich Mháire und Orkenspalter ewig dankbar. Es ist dieses Video, welches das Let’s Play von Walisisches Potpourri in der Phantastischen Bibliothek in Wetzlar zeigt.

Walisisches Potpourri ist wahrlich ein grauenhafter Titel, der offensichtlich der Arbeitstitel gewesen sein muss. Wobei das Abenteuer von Mháire auch schon als «Der Stillstand» bezeichnet wurde, was wohl der tatsächliche Arbeitstitel war – aber unumstritten der bessere Titel ist.

Ein Arbeiterstreik in Wales (daher «Der Stillstand») leitet das Abenteuer stimmungsvoll ein, um dann in seltsame Gepflogenheiten der Dorfbewohner und komische Vorkommnisse in den umliegenden Wäldern zu münden.

Die Gefangenen von Cape Clear

Ein aussergewöhnliches Inselszenario, das auf einer wunderbaren Idee basiert. Der Horror fährt einem wohl erst nach der Auflösung so richtig in die Glieder. Dennoch ist dies für einmal ein Szenario, dass nicht dem herkömmlichen Cthulhu-Abenteuermuster entspricht und für Spielerinnen und Spieler mit Lust an neuen Erfahrungen und offenem Geiste ein besonderes Erlebnis bieten kann.

Dunkle Resonanz

Dieses Abenteuer beginnt mit dem Satz: «Dieses Abenteuer ist recht komplex.» Dieses Abenteuer spielt im Sibirien von 1986, also mitten im Kalten Krieg. Bei minus 50 Grad im Schatten ist eine Strafversetzung in eine russische Abhörstation am Ende der Welt schon an sich der Horror.

Die weisse Schneelandschaft im Nirgendwo gibt dem Abenteuer ein sehr lovecraftsches Grundgefühl, das manch eine/r von «Die Berge des Wahnsinns» kennen mag. Atomeisbrecher der UdSSR, amerikanische Bomber und ein seltsames Erdbeben – dieses Abenteuer hat stimmige Voraussetzungen, einen zeitlichen Ablauf und eine tickende Uhr. Der Ausgang der Geschehnisse ist bewusst offen und von den Investigatoren abhängig. Gefällt!

Dieses Abenteuer ist recht komplex. Stimmt. Es macht gefühlt so viel Aufwand, es zu verstehen und es überzeugend zu leiten, wie eine kleine Kampagne. Wird dieser Aufwand dafür betrieben, könnte es sich aber auch so anfühlen.

Fazit

Wer gerne kurze, gut aufgemachte, durchdachte und spannende One-shots hat, der sollte hier zugreifen. Diese Art der Abenteuer sind modern, schlank und gut zu leiten. Was mir gut gefällt, ist der Abwechslungsreichtum. Darum: Wenn du eine kleine One-shot-Anthologie für Cthulhu haben willst, dann kauf dir besser «Orkenspalter und der Mythos» als «Ein Abend mit dem Grauen».

Vollkommen aus dem Häuschen bin ich aufgrund dieses Abenteuerbandes zwar nicht, aber «Der Stillstand» (Walisisches Potpourri) ist darin enthalten und das beschert diesem Büchlein allein schon einen Ehrenplatz in meiner Sammlung.

EPILOG: Die Anthologie beweist, dass ein Abenteuer nur zur Hälfte so gut ist, wie es geschrieben steht. Die andere Hälfte ist definitiv davon abhängig, wie gut die Spielleitung und die Spielenden es umsetzen. Wer das nicht glaubt, schaue sich das Let’s Play von «Der Stillstand» bei einem Tässchen Tee an. Ja, ich werde das Abenteuer konsequent weiterhin so nennen.

Ich möchte erfahren, wenn es neue Artikel gibt!

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