Homebrew: Selbstgeb(r)autes Rollenspiel

Homebrew ist das DIY des Rollenspiels. Nicht kaufen, sondern selbst machen, ist die Devise. Was das für Möglichkeiten bringt und wo die Gefahren liegen, liegt auf der Hand: Viel Spass und noch viel mehr Arbeit.

Homebrew ist ursprünglich das, was zu Hause im Hinterhof oder in der eigenen Badewanne gebraut wird, nämlich Bier. Zumindest in der nicht Rollenspiel spielenden Welt. In der Rollenspielszene bedeutet Hombrew zwar auch selbstgemacht, aber es hat nichts mit Alkohol zu tun, wenn es auch manchmal berauschend sein kann.

Selbstgebraut schmeckts doch am besten

Ich habe schon Homebrew gemacht, bevor ich wusste, dass es Homebrew gibt. Denn es liegt nahe, hat man die Regeln eines Rollenspiels erst einmal erlernt und die Spielwelt erlebt, selbst das Denkbare weiterzuspinnen. Das tat ich vor fünfundzwanzig Jahren mit den paar Regeln, die ich von Das Schwarze Auge kannte und ersann eigene Abenteuer mit eigenen Rätselaufgaben.

Zweieinhalb Jahrzehnte später entdeckte ich zufällig Cthulhu, spielte online einen One-shot, kaufte mir die Regeln dazu, verstand sie nur halb und nutzte dieses Halbwissen, um eine zwanzigteilige Homebrewkampagne aus dem Boden zu stampfen. Das war sozusagen Cthulhu im Freestyle-Modus.

Die unklaren Regeln forderten viel Flexibilität und Vertrauen von den Spielenden, weil ich völlig spontan regelte, wenn es noch keine bekannte Regel dazu gab. Besonders knifflig waren für uns alle die Regeln, wie Magie funktionierte: Alles war möglich, ausser ich sagte, das gehe zu weit. Umgekehrt musste ich mit Zaubersprüchen der Spielenden rechnen, die keiner Stufe entsprachen und keine Grenzen kannten.

Die drei H’s des Rollenspiels

Nicht jede kreative Neuerfindung oder Änderung von Bestehendem ist sofort Homebrew. Ich unterscheide dabei ein paar Stufen, bzw. Arten der Individualisierung: die drei H’s

  • Hausregel
  • Hack
  • Homebrew

Hausregel ist, wenn vom bestehenden Regelwerk abgewichen wird. Oder auch, wenn fehlende Regeln durch eigenen Erfindungsreichtum ergänzt werden.

Hack nennt man zum Beispiel, wenn Regeln des einen Systems auf ein anderes Setting angewendet werden. Also D&D-Regeln für Cthulhu beispielsweise.

Homebrew ist, wenn ganze Teile oder sogar alle Teile selbst erdacht sind. Dabei kann es ganz unterschiedliche Bereiche von Pen & Paper betreffen: Weltenbau, Regelwerk, Plot oder Ambiente.

Regeln, Abenteuer, Setting

Homebrew kann sich darauf beziehen, dass man eigene Regeln entwirft. Es kann aber auch heissen, dass man eigene Abenteuer schreibt. Nicht zu verwechseln mit Improvisation, denn da wird nichts angesetzt, dass gären kann, sondern es geschieht im Prozess. Und es kann World Building bedeuten. Möglich, dass eine komplett eigene Welt entworfen wird, die Karten, Magieregeln, Völker und Technik, physikalische Gesetze und Gottheiten beinhaltet.

Das Tolle daran, ist das Kreative dabei

Homebrew bedeutet selbst zu machen. Als Gegensatz: Hole ich mir ein Kaufabenteuer, geht es darum, zu lesen, zu verstehen und auswendig zu lernen. Ich versuche das Bestehende zu begreifen. Ersinne ich jedoch ein Selbstgebrautes, dann starte ich mit wenig bis nichts und denke mir nach und nach grobe Strukturen aus, fülle diese mit Inhalten und entwickle sie bis hinaus in die Spitzen der kleinsten Details.

Ich dringe vor in unbekannte Weiten und Welten – und versetze mich in die Spielenden, um zu antizipieren. Wo könnten sie hingehen, was könnten sie fragen, was werden sie tun? Hierzu kann ich nie genug vorbereiten. Denn wie eine richtige Welt, wird eine erfundene Welt erst realistisch, wenn es keine Lücken mehr gibt. (Was fehlt, wird schliesslich improvisiert.)

Deshalb kennt Homebrew auch kein Ende. Da kannst du hundert Jahre lang weiterentwickeln und bist nie fertig. Aber so weit muss es nicht kommen, wie das folgende (hinkende) Beispiel zeigt:

Humblewood ist für die Regeln von D&D 5e geschrieben worden, es nennt sich Setting, ist aber nur so weit ausgestaltet, wie es das enthaltene Abenteuer verlangt. Hätte ich mir Humblewood selbst ausgedacht und es nicht veröffentlicht, wäre dies ein gutes Beispiel für ein Homebrew-Setting bzw. -Abenteuer.

Homebrew ist Geschmacksache

Das Tolle am Selbstgebrauten ist, dass ich mir die perfekte Geschmacksrichtung, das ideale Rezept zusammenbrauen kann. Der Nachteil ergibt sich daraus von selbst. Kaufabenteuer sind zwar nicht über alle Zweifel erhaben, doch immerhin stecken dort professionelle Autor*innen, Lektor*innen, Illustrator*innen, Grafiker*innen, Layouter*innen und Redakteur*Innen dahinter. Diese verbringen einen guten Teil ihres Tages, nämlich ihre Arbeitszeit, damit, sich mit Regeln, Weltenbau und Dramaturgie zu beschäftigen, während ich völlig andere Dinge tue. Daher ist dort ein Qualitätsstandard gegeben.

Wenn sich hingegen Laien ans Panschen machen, kann das Ergebnis zuweilen auch fade oder gar ungeniessbar werden, zumal die Geschmäcker verschieden sind. Und was dem einen vorzüglich mundet, ist dem anderen schlicht zu ausgefallen. Daher: Ob Homebrew-Rollenspiel-IPA oder Mainstream-Rollenspiel-Plörre: keep on brewing – auf dass die Abenteurerkehle niemals trocken bleibe!

Ich möchte erfahren, wenn es neue Artikel gibt!

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