Cthulhu: Zugzwang in Kamborn (Rezension)

Zugzwang in Kamborn ist der dritte Softcover-Band der Cthulhu-Kamborn-Reihe von Pegasus Spiele. Diese Rezension enthält heftige Spoiler und sollte von Nicht-SLs höchstens bis zur Beschreibung der Abenteuer gelesen werden.

Kamborn ist der Versuch der Etablierung eines deutschen Arkham. Eine Stadt, die in der echten Welt nicht existiert, die nicht so genau verortet ist und in der allerlei seltsame Dinge vorkommen.

Jeder der bisherigen Bände hat, aber eben nur der Titel, mit Schach zu tun, was mich als Möchtegernschachspieler besonders freut, aber keinen Sinn ergibt. Irgendwann werden der Redaktion die Namen ausgehen und wir werden ziemlich sinnfreie Buchtitel erhalten. Nach Königsgambit und Bauernopfer in Kamborn kommt jetzt Zugzwang in Kamborn. Zugzwang, das Wort, dass alle Schachspieler der Welt auch in Deutsch verwenden und welches die Amerikaner so schön mit stimmhaftem, surrendem «Z» aussprechen: «Ssuugsswääng».

Die Kambornbände ziehen sich durch die 20er-Jahre und bringen langsam aber sicher das übergeordnete Geheimnis der fiktiven Stadt ans Tageslicht. Mit Band drei «Zugzwang in Kamborn» sind wir im Jahr 1924 angelangt und erhalten zwei neue Abenteuer in Kamborn. Gleichzeitig bekommen wir mehr Hintergrundinformationen zu Organisationen, Personen und Gesellschaften der Stadt, die da lauten: wirtschaftliche, religiöse, strafverfolgende, akademische und investigative Kreise.

Der Abenteuerband umfasst 80 Seiten und enthält richtig starke, aber leider auch richtig schwache Abenteuerteile. So viel vorweg, jetzt kommen die Spoiler.

Abenteuer 1: Schicksalsfäden

Das erste Abenteuer «Schicksalsfäden» könnte «Das Loch» heissen. Denn darum geht es. Die Anlage des Abenteuers gefällt mir enorm gut und reisst mich sofort mit in die Tiefe. Bei Strassenbahnbauarbeiten am Marktplatz von Kamborn tut sich ein Loch auf und legt einen Schacht frei, von dem niemand Kenntnis hat. Die Bauarbeiten werden vorübergehend eingestellt und ein Team von Fachleuten (aka Investigatoren) soll sich das Loch einmal genauer ansehen…

Die Geschichte entwickelt sich und zieht mich in ihren Bann. Details darf ich hier leider keine wiedergeben, sonst ist das Abenteuer komplett ruiniert für all jene, die es noch spielen möchten. Achtung: Spoiler! Spielende nicht weiterlesen! Aber ich bin wirklich angetan von Idee und Ausführung. Es wird munter durch die Zeit gereist. Holy cat! Nach dutzenden Cthulhu-Abenteuern ist es immer erfrischend, einen neuen Ansatz, eine neue Mechanik oder einen exotischen Ort zu erleben. Das hier bietet einiges davon.

Was ich mich frage, ist, ob die Investigatoren im Spiel dann auch der Storyline folgen, denn wenn nicht, schweben wir alle in recht dünner Luft, wenn du weisst, was ich meine. Dieser erste Teil des ersten Abenteuers hat es in sich. Ich bin begeistert. Endlich rücken sie allmählich heraus mit dem, was Kamborn als Gesamtes von einer durchschnittlichen und langweiligen deutschen Stadt abhebt. Jedoch ohne gleich alles zu verraten.

Schicksalsfäden Teil 2

Achtung – echt harte Spoiler!

So gut mir der erste Teil des Abenteuers gefallen hat, so sehr missfällt mir der zweite Teil davon. Erst wird die Mythologie der drei normannischen Göttinnen, sogenannte Nornen, erklärt. Dann werden drei Damen eingeführt, die die heutigen Entsprechungen der Göttinnen sind und sich für die Nornen halten. Anschliessend werden die neuzeitlichen Entsprechungen allerdings nur noch «die Nornen» genannt. Ja, sind sie es nun, oder sind sie es nicht? Habe ich etwas überlesen?

Dieses Kapitel ist mir zu esoterisch, magisch seltsam. Nicht besonders spannend, schlecht zu überblicken oder abzuschätzen, was geschehen wird und wie es ausgeht. Und genau diese Ratlosigkeit stelle ich mir auch etwas bei den Spielenden vor, die aus dem ersten Teil, der einer ausweglosen Wasserrutsche gleicht, in ein tiefes Becken voller Alles geworfen werden. Wirklich schade, um den grandiosen ersten Teil. Ich überlege mir, ob ich den ersten Teil mit einem anderen zweiten Teil kombiniere.

Der Ghoul namens Kilian erinnert mich unglaublich enorm wahnsinnig extrem an den Ghoul namens Guillaume aus dem famosen Cthulhu-Abenteuerband «Schreckensherrschaft», welchen ich gerade leiten darf. Da war wohl jemand inspiriert. Nicht die einzige Stelle, in der ich den anderen Band in diesem Abenteuer wiedererkenne.

Abenteuer 2: Das Bergmann-Vermächtnis

Auch dieses Abenteuer ist wieder ganz grosses Kino, allein schon wegen seiner offenen Geschichte. Wie viel dahintersteckt, ob der Protagonist ein Psycho ist oder ob alles Zufall war und nur den Anschein macht, soll bewusst von der Spielleitung entschieden werden. Hinter jedem Abschnitt steht hier: Du entscheidest, ob A, B, C oder D zutrifft. Ich mag unkonventionelle und überraschende Abenteuerformen so sehr.

In diesem Szenario gibt es ein Anwesen zu erstehen. Das wäre ein hervorragender Einstieg der Investigatoren in Kamborn. Wenn das der erste Kontakt überhaupt wäre, ein Haus zu beziehen, das sie nicht kennen, in einer Stadt, die sie nicht kennen. Nice.

Das Abenteuer schmücken ganze 14 Seiten Vorgeschichte, Informationen zum Anwesen und Pläne davon, erst dann geht es los. Es folgt ein typisches «Haunted House»-Szenario.

Leider habe ich den Abschnitt mit dem eigenen Haus für die Investigatoren missinterpretiert. Denn da steht, dass das Haus nach Abschluss des Abenteuers etwas für die Investigatoren sein könnte. Der vorgesehene Hook, der Geschichte, dass man als Investigator einen netten Familienausflug mit seinen Kindern in ein Spukhaus macht, ist zwar stimmungsvoll anders, für Cthulhu-Verhältnisse aber recht blödsinnig. Wer hat schon einen Investigatoren mit Familie entworfen?! Und wer macht bei Cthulhu freiwillig Picknicks in Spukhäusern und auch noch in Kamborn? Da sind wir doch zu sehr Metagamer, als dass wir diese Geschichte glaubhaft verkörpern könnten.

Danach geht es wieder ganz nach meinem Geschmack weiter. Ich sage nur Massenpanik und Flohmarkt. Das Szenario nutzt eindrucksvolle und unangenehme Momente, die gut und gerne für mehrere Abenteuer gereicht hätten. Und dies in zum Teil völlig alltäglichen Umgebungen und Situationen. Das Spiel führt im Idealfall zu einem PvP-Spiel, also «Player vs. Player». Ausserdem sollten die Tage abgezählt werden, damit Ereignisse noch rechtzeitig eintreten können oder eben nicht.

Die Dramaturgie stimmt. Es folgen viele Recherchen, um herauszufinden, was hinter alldem steckt. Am Ende wird dem BBEG hoffentlich Einhalt geboten. Wenn nicht, wird es sicherlich schlimm enden.

Das Bergmann-Vermächtnis ist das Abenteuer, das mich seit «Schreckensherrschaft» und «Das Geheimnis des Schwarzwaldhofs» am meisten begeistert. Volle Punktzahl für diese Komposition.

Fazit

Zugzwang in Kamborn ist für mich das beste der drei bisherigen Kamborn-Bücher und macht richtig Bock das Teil zu spielen, respektive zu leiten. Die Abenteuer sind alles andere als konventionell und bieten für Spielende und Leitung Überraschendes.

Mit Ausnahme des zweiten Teils des ersten Abenteuers, begeistert mich «Zugzwang in Kamborn» richtiggehend. Und ich hoffe, dass sich Kamborns Geschichte über die weiteren Bände so weiterentwickelt. Dann wird aus einer netten Idee, wie ich Kamborn in den Anfängen empfand, zu einer richtig starken Eigenentwicklung der Cthulhu-Redaktion von Pegasus Spiele.

Ich möchte erfahren, wenn es neue Artikel gibt!

5 Kommentare

  1. Ich glaube, du hast da eine etwas falsche Vorstellung von Kamborn bzw. der Idee. Meines Erachtens (und Wissens) ist Kamborn zwar als eine Art „deutsches Arkham“, oder ein Versuch der Etablierung einer solchen Stadt, zu verstehen…
    …allerdings gibt es meiner Ansicht nach keinen konkreten Metaplot, der dahinter steht. Also keine „Eckdaten“, die eingebaut werden müssten, und kein „Ende mit Schrecken“, auf das alles hinzielt.
    Das zeigen alleine schon die Abenteuer an sich, die alle einfach wild in die unterschiedlichsten Richtungen schießen, und keinerlei Linie oder auch nur gemeinsame, winzige Details erkennen ließen. Den Metaplot muss sich meines Erachtens der Spielleiter selbst konzipieren…

    1. Wenn ich mich richtig erinnere, wurde das in mehreren Interviews von der Redaktion gesagt: Dass es am Anfang noch lose ist und sich zeitlich nach weiter hinten konkretisiert. Jedenfalls fand ich es in diesem (neusten) Band auch schon konkreter. Wir werden sehen, was der nächste bringt…

      1. Interesting.
        Ich hatte da tatsächlich von einer/m der Autoren/innen was anderes gehört – zumindest für die nahe Zukunft. Na, lassen wir uns überraschen. Bisher war die gelieferte Kost ja eher mäßig, wie ich finde.

        Ich finde halt auch bei diesem Band noch nichts allzu konkretes. Das erste Abenteuer hätte eine phantastische Basis bieten können, wird aber dann sehr sehr vage gehalten und schließlich recht unspektakulär abgewatscht. Und auch das zweite hätte genug Möglichkeiten gehabt, es zu strecken…

        Bisher sehe ich halt keinerlei Grundlage dafür, die Abenteuer irgendwie zusammenzuführen. Außer die wenigen bleibenden NSCs und die drei, vier anderen, bleibenden Aspekte fehlt mir hier tatsächlich alles, was da Verknüpfungen liefert. Natürlich kann man im Nachhinein noch Verbindungen konstruieren, aber das wäre ziemlich fadenscheinig. Da hat Pegasus mit einer Stadt und einem „Schicksal“ derselben eine Basis, um genau diesen permanenten Schauplatz zu nutzen, um langfristige, offene Fäden einzufügen, und nutzen tun sie es nicht. Schade.

        Das zusätzliche Abenteuer aus „Zeitreisen“ ist meines Erachtens übrigens auch recht ansprechend…

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