10 Fragen an Heiko Gill


Heiko Gill ist der Cthulhu-Chefredakteur bei Pegasus Spiele und stellt oft die Neuheiten vor. Abseits der Öffentlichkeit, sozusagen jenseits des Schleiers, wirkt er mit Wort und Tat an diversen Publikationen mit und dirigiert/organisiert eine Heerschar von Teammitgliedern. Dabei mag es ihm zugutekommen, dass er im Hauptberuf im öffentlichen Dienst arbeitet und als Vater von vier Kindern rund um die Uhr nichts anderes gewohnt ist.

Lieber Heiko,

danke, dass du bei diesem Interview mitmachst.

Ich kann es nicht oft genug erwähnen: Cthulhu ist der Grund, warum ich wieder wie versessen Rollenspiele spiele. Ich hatte komplett verpasst, dass das Rollenspiel Cthulhu überhaupt existiert. Jetzt hat es mich aber in seinen Fängen. Und zwar erst in seinen An-Fängen. Da wird noch viel passieren. Jetzt aber zu dir.

Weil es mich wahnsinnig (Cthulhu pun intended) interessiert, also eigentlich Frage null: Wie wird man eigentlich Cthulhu-Chefredakteur?

Eine allgemeingültige Regel gibt es dafür vermutlich nicht. In meinem Fall, indem man durch das, was man ansonsten tut, einen Eindruck erzeugt, dass man für diesen Platz am besten geeignet ist. Womit ich sagen will: Ich war schon lange Spielleiter für CTHULHU, als ich gefragt wurde, ob ich nicht ein Abenteuer für das Spiel schreiben könnte. Das war in den 1990er Jahren dann «New Eden». Weil es dieses Abenteuer gab, wurde ich Anfang der 2000er angesprochen, ob ich mich als Autor dem CTHULHU-Team anschließen könnte. Als Teammitglied wurde ich gefragt, ob ich auch lektorieren würde (ja), als Lektor bin ich zum Redakteur geworden und letztlich zum «ChefRed». Wie gesagt, alles, ohne mich dafür «zu bewerben», sondern weil ich darauf angesprochen wurde. Als hätte eine namenlose Macht im Hintergrund die Fäden gezogen, bis ich meinen richtigen Platz erhalten hatte (hüstel).

Warum ist Cthulhu, beziehungsweise Call of Cthulhu so erfolgreich?

Das Spiel ist regeltechnisch besonders unkompliziert und erreicht dadurch viele Leute, denen es einfach an der Zeit fehlt, sich in verzahntes Regelfuchs-Material einzuarbeiten. Der Spielhintergrund – zumeist die 1920er-Jahre unserer eigenen Welt plus Horror – ist sofort leicht verständlich, weil man das ohnehin aus dem eigenen Wissen und den eigenen Erfahrungen im Kopf hat. Und Cthulhu an sich ist heutzutage – wie ich immer gern sage – ein omnipräsenter Rockstar, der sogar schon lange in South Park aufgetreten ist.

Was muss ein gutes Cthulhu-Abenteuer für dich drinhaben?

Wenn es gut ist, hat es zwischenmenschliche Interaktion. Die Leute am Tisch sollen nicht nur von einem Grauen ins Nächste stürzen und kämpfen oder rennen, sie sollen sich mit Leuten – oder Wesen – austauschen. Es muss also die Möglichkeit geben, mit NSCs zu kommunizieren und dadurch nicht nur der Lösung des Abenteuers näherzukommen, sondern damit bereits in sich Spaß zu haben.

Kommt bald eine neue Edition von Cthulhu raus?

Nur über meine Leiche. Aber keine Angst, ich bin da nicht in Gefahr. Schau mal, erst die Edition 7 hat echte Änderungen von Regelmechanismen gebracht. Nach rund 30 Jahren also. Edition 7 gibt es seit 2015 und ich erwarte die nächste Edition mit echten Regeländerungen etwa im Jahre 2045.

Welches ist dein persönlicher Favorit unter den Cthulhu-Abenteuern, die bei Pegasus rauskamen?

Das ist eine unheimlich schwierige Frage, weil ich einen ganzen Haufen Abenteuer herausragend finde, wobei es da natürlich individuell unterschiedliche Gründe gibt. Also quasi «das Spannendste», «das Erstaunlichste», «das Lustigste» (ja, bei CTHULHU darf und muss auch gelacht werden!) und so weiter. Wenn ich das allgemein sagen soll, würde ich mich darauf zurückziehen: die Kampagne «Die Bestie» in Summe.

Wer ist Heiko Gill, wenn er nicht Cthulhu-Bücher verlegt?

Würde man verschiedene Leute fragen, würde man ganz unterschiedliche Antworten bekommen:«Jemand, der Lösungen für beliebig kompliziert erscheinende Fragen findet» (meine Kollegen im Hauptberuf)«Mein verrückter Onkel» (mein Neffe)«Der beste Master der Welt» (meine Spielrunde)«Das Böse unter der Sonne» (meine Ex-Frau, aber umgekehrt wird ein Schuh draus)«Einer, der nicht nein sagen kann» (alle, die etwas von mir wollen)«Der beste Papa» (meine Kinder)Und wenn ich das selbst beantworten soll: Jemand mit dem Hirn eines Soziopathen und eines Herzen, das nie erwachsen geworden ist (um einmal auf «Der Breakfast-Club» anzuspielen). Hilft das so weiter?

Wie kommt es, dass du in Interviews manchmal selbst nicht so genau weisst, was ihr alles so gemacht habt und vorhabt?

Einspruch euer Ehren! Ich weiß immer, was wir machen und vorhaben, aber ein Grundprinzip für mich ist – wie auch in diesem Interview: «Niemals auf Interviews vorbereiten!» Alle Fragen so beantworten, wie es der aktuelle Speicherinhalt im Kopf zulässt. Dadurch erzeuge ich für mich selbst ganz automatisch Prioritäten, was erzählenswert und wichtig ist – und was weniger. Dabei sollte man berücksichtigen, dass wir eine normale Produktionszeit von bis zu zwei Jahren haben und Sachen, die aktuell erschienen sind, meinen Tisch manchmal ein Jahr vorher verlassen haben (und zwischendurch acht anderen Sachen Platz zu machen). Die Zeit spielt also auch eine Rolle. Bei den Dingen, die da kommen werden, ist es andersherum so, dass da oft so viele Bälle jongliert werden, dass sich eine endgültige Reihenfolge erst noch Schritt für Schritt ergibt. Da möchte ich keine falschen Erwartungen wecken und insbesondere nicht spoilern.

Welches Rollenspielsetting magst du, das überhaupt nicht Cthulhu ist?

Grundsätzlich finde ich postapokalyptische Themen gut. Tatsächlich leite ich aktuell allerdings «Space 1889».

Wieso habt ihr nicht auch so unglaubliches aufwendiges Artwork, wie die spanischen Kollegen von EDGE?

«Unglaublich aufwändig» bedeutet in Deutschland gleichzeitig «unglaublich teuer». Da wir CTHULHU so günstig wie möglich anbieten, sind da natürliche Grenzen gesetzt. Zudem gibt es eine breite «historische» Fanbase, die total auf die Illustrierung mit zeitgenössischen Fotos steht – weswegen diese Art der Illustrierung sicher nie verschwinden wird. Gleichzeitig hat sich aber das Artwork bei Chaosium so stark verbessert, dass wir in geeigneten Büchern darauf zugreifen. Dadurch haben wir beides und das finde ich sehr gut.

Gibt es ein Projekt, dass du als Chefredakteur unbedingt gemacht haben willst?

Ich bin ja schon lange Chefredakteur und ich muss zugeben, dass alles, was ich unbedingt wollte, logischerweise in der Zwischenzeit gemacht wurde. Das war zuletzt die Etablierung einer fiktiven Stadt in Deutschland (Kamborn), in der von historischer Genauigkeit unabhängig Abenteuer stattfinden können. Eine Art deutsches «Arkham». Dazu gibt es bereits mehrere Bücher, das nächste ist in Arbeit und mein Langzeitplan ist, diese Reihe bis in die 30er/40er-Jahre fortzusetzen (jedes Buch spielt aufsteigend in einem bestimmten Kalenderjahr).

Was ist dein persönlicher Tipp an die Cthulhu-Spielenden?

Achtet auf eure Eintragungen auf der Rückseite des Charakterbogens zum «Hintergrund» der Investigatoren. Das ist kein Unkraut am Wegesrand, sondern essenzieller Bestandteil der Investigatoren. Bezieht die dort genannten Dinge in die Abenteuer ein, dann werden die Investigatoren sehr viel lebendiger. Um lebendige Investigatoren hat man viel mehr Angst. Gleichzeitig kann dadurch ein Niveau von «Investigatoren-Privatleben» erreicht werden, das es bei anderen Rollenspielen schlicht gar nicht gibt.

Ich möchte erfahren, wenn es neue Artikel gibt!

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