Midgard ist genau mein Ding

Midgard ist Low-Fantasy auf Herr-der-Ringe-Basis mit einem Schuss Nostalgie in einer noch zu entdeckenden Welt.

Ich hatte damals mit Das Schwarze Auge angefangen. Der Fantasy-Samen wurde mit dem Buch Der Herr der Ringe und dem Spiel HeroQuest in meine Erde gepflanzt. Mehr als Low-Magic, Zwerge, Elfen und Orks brauche ich eigentlich nicht zum Glücklichsein.

Das Schwarze Auge

Allerdings hat DSA mich zwei Jahrzehnte später abgeschreckt, weil es so tief und breit und kleinteilig (geworden) ist. In den 25 Jahren, die ich verpasst hatte, wurden diejenigen, die dabeiblieben zu regelrechten DSA-Professoren. Kein Spass für einen Neueinsteiger. Und ich hatte schon immer meine Mühe mit Rot- und Schwarzpelzen. Orks und Goblins haben für mich immer schon grüne, braune, graue oder schwarze Haut, niemals Fell.

Das Gute an Midgard

Wie es der Zufall wollte, spielte ich kürzlich an einer kleinen Con mit einem Spielleiter, den ich von ganz früher flüchtig kannte, das Rollenspiel Midgard. Midgard klang für mich immer nach abgekupferten nordischen Sagen und hatte mich bis dahin so gar nicht interessiert.

Plötzlich stellte ich fest, dass es diesen Alt-Rollenspiel-Charme wie DSA hat und die eins-zu-eins geklaute und umbenannte Welt von Der Herr der Ringe. Es ist so alltäglich und normal, dass man gut in Alba leben könnte, ohne je einem Drachen zu begegnen oder begegnen zu wollen.

Während die Dungeons-and-Dragons-Anhänger die Hand von Vecna finden und Tarrasques slayen wollen (satirische Überhöhung!), reicht es mir, herauszufinden, wieso Bauer Distelheims Äpfel ständig wie von Geisterhand verschwinden.

The One Ring

Bei The One Ring habe ich so meine Skrupel, das habe ich bereits in der Rezension zum Starterset ausgeführt. In die Timeline von Herr der Ringe zu pfuschen, gibt mir ein komisches Bauchgefühl. Hier, bei Midgard, eine mir noch unbekannte Welt zu erkunden, zieht mich geradezu magisch an.

Würfelsystem

Das Würfelsystem gefällt mir auch. Da es von einem Mathematiker entwickelt wurde, ist es statistisch gut gebalanced, heisst es. Gewürfelt wird mit 6er, 10er, 20er und 100er. Also Brettspiel, Dezimalsystem, D&D und Cthulhu, bzw. Warhammer. Bull’s eye! In der sechsten Edition soll der W100 dann zwar leider wegfallen, aber wir spielen vorerst weiter die fünfte Edition M5.

Das Würfelsystem macht so viel Sinn. Angriffswurf. Gelungen oder nicht? Wenn nicht, geschieht auch nichts. Wenn gelungen, Schaden würfeln. Dann Abwehrwurf des Gegenübers. Gelingt die Abwehr, geht der gelungene Angriff auf die Ausdauer (Ermüdung), gelingt die Abwehr nicht, geht der Schaden auf die Lebenspunkte, abzüglich des Schadens, die die Rüstung des Getroffenen noch aufhält. Das ist realistisch, das ist logisch, das ist gar nicht so kompliziert.

Kritischer Schaden bedeutet zum Beispiel dauerhafte Verletzung, was durch eine Zufallstabelle bestimmt wird. Danach kann man den Kampf zwar noch so kompliziert machen, wie man will – Stichwort Platzbedarf im Nahkampf, Spezialtaktiken, Kontrollbereich, Streuschüsse – muss man aber nicht.

Nostalgie

Das Layout ist ein wenig in die Jahre gekommen. Und das ist gut so. Ich muss es immer wieder mit D&D vergleichen, welches inklusiv, bunt und unerwartet sein muss. Alles Dinge, die ich zwar gut finde, aber aufgezogen wurde ich halt mit 90er-Jahre Ästhetik, was ich bei Filmen, Fotos und Musik immer wieder feststelle.

Midgard ist das älteste deutsche Rollenspiel und hat einen sehr guten Jahrgang. Dabei sieht die fünfte Edition weder nach OSR, noch nach Popkultur aus. Sondern nach solider EDO-Fantasy, so wie ich das brauche. Hier spüre ich noch mittelalterliches Fantasyleben, beziehungsweise fantelalterlichen Alltag, was mir so viel mehr entspricht als Avengers goes High Fantasy.

Die Hörspieler

Wer sich hier drin wiedererkennt, der oder dem sei hiermit «Die Hörspieler» empfohlen. Hier gehen Szenen in die Tiefe statt in die Höhe. Und Zaubern beschränkt sich auf «Flim, Flam, Funkel» statt magischer Tsunamis und Meteorschauer. Bei Die Hörspieler wird Das Schwarze Auge gespielt. Natürlich sind hier Schauspieler*innen am Werk und die Szenen sind teilweise geplant und mit Musik und Soundeffekten nachbearbeitet, doch der Zauber, der hier noch in den kleinen Dingen steckt, geht dem heutigen Spass-und-Action-Rollenspiel manchmal leider ab.

Midgard for President

Midgard hat dieses Herr-der-Ringe-Gefühl, ohne in Mittelerde zu spielen. Midgard bringt dieses Schwarze-Auge-Gefühl, ohne Das Schwarze Auge zu sein. Es hat dieses leicht Simulationistische, Alltägliche, ohne unendlich komplex oder anders sein zu wollen.

Es wird nur einen ganz kleinen Teil von euch auch betreffen, aber Midgard fühlt sich für mich ein wenig wie «heimkommen» an. Und wer kennt das Gefühl nicht, nach einer ausgedehnten, spannenden Reise, die viele tolle Eindrücke, Begegnungen und Erlebnisse mit sich brachte, im trauten Heim anzukommen und Geborgenheit und Glück zu empfinden?

Ich möchte erfahren, wenn es neue Artikel gibt!

2 Kommentare

  1. Ich finde es total sympatisch, dass du gerade die Ähnlichkeit von Midgard zu Herr der Ringe und Das Schwarze Auge betonst. Oft wird ja die Nase gerümpft, wenn eine Spielwelt eher generisch ist. Aber warum die Fantasy neuerfinden, wenn ein Spiel doch vor allem Spaß machen soll?

    Ich habe Midgard ein paar Mal ausprobiert und fand die Spielatmosphäre auch sehr gut. Das Regelsystem könnte für meinen Geschmack hingegen deutlich simpler sein. Aber meist rückt das ja in den Hintergrund, wenn man es einmal verinnerlicht hat.

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