D&D ist der Big Mac des Rollenspiels

Mir ist klar, dass das was ich hier schreibe, blasphemisch ist. D&D ist Ursprung und Krönung der Rollenspielschöpfung. Die fünfte Edition von Dungeons & Dragons wurde durch alle Reihen gelobt – nicht zu Unrecht.

Dennoch habe ich mich letztens gefragt: Was ist es, das D&D so erfolgreich macht?

Ich möchte vorausschicken: Bei Pen and Paper mag ich es storylastig, investigativ und nachhaltig. Und ich kenne Dungeons and Dragons erst so richtig seit 5e. Früher hatte ich die Planescape-Box von AD&D, das ist alles. Was ich daran nicht mag, ist dieses auf Hochglanz polierte. Bei Dungeons & Dragons scheinen sogar die Bugbears und Gnolls frisch schamponiert aus ihrer Höhle zu kriechen. Was ich an D&D toll finde, ist seine Einfachheit, Schnelligkeit und Klarheit.

Gesammelte Eigenschaften

Kürzlich schoss mir eine steile These durch den Kopf: D&D ist das Fast Food des Rollenspiels! Ich will erst die gesammelten Eigenschaften von DnD aufzählen, bevor ich detaillierter darauf eingehe. Es sind folgende und sie sind (noch) nicht wertend gemeint:

  • Es ist flashy
  • Es ist sehr amerikanisch
  • Es geht um Superheldentum
  • Es ist kampflastig
  • Es hat schnelle Regeln
  • Es geht um die schnelle Verbesserung und den Aufstieg

Ich will ein wenig genauer auf diese Behauptungen eingehen. Wer sich jetzt schon ärgert, sollte sich überlegen, ob nicht doch ein kleines Fünkchen Wahrheit dahinterstecken könnte. Wer schon vor Wut schäumt, sollte gar nicht erst weiterlesen. Ich übernehme keine Haftung.

Es ist flashy

Das lässt sich relativ einfach belegen. Denn jeder neue Charakter, wäre die perfekte Hauptrolle einer Netflix-Serie. D&D-Helden können heute, nicht wie früher bei HeroQuest, einfach kämpfen oder Magie wirken, sondern am besten beides und auch noch gut schleichen, klettern, heilen und charmant sein.

Jeder Charakter hat tolle Tattoos, Narben, weisse Haare, ein abgefahrenes Outfit, ein Einzelstück einer Waffe und zwei Ersatzwaffen, besitzt viel Geld, kann drei Sprachen, im Dunkeln sehen und ist von bedeutender Abstammung.

Es ist sehr amerikanisch

Ich meine das vom Gefühl her, nicht nur vom Ursprung. Wäre D&D ein Auto, dann ein Cadillac, wäre es Musik, dann mit Autotune-Effekt und wäre es essbar, dann wäre es ein Big Mac. Es ist elegant, schlicht, poliert und appealing.

Es geht um Superheldentum

Niemand spielt heute mehr einen Menschen oder Waldläufer (Ranger), weil heute nur noch Drachengebohrene, Tieflinge und Halborks zu Paladinen und Klerikern berufen sind. In diesem Spiel gibt es keine Hans Würste und Otto Normalverbraucher mehr, nur noch bunte Hunde, die in jeder Grossstadt noch Aufsehen erregen würden. Farbige Kleidung, lautes Benehmen und aufsehenerregende Waffen. Tortle und Aarakocra machen eine Runde erst komplett. Multiclassing muss sein, sonst wird es langweilig.

Es ist kampflastig

D&D-Spielende beschreiben ihre Abenteuererlebnisse häufig so: «Wir haben das und das bekämpft». Das muss nicht schlecht sein, ist durchaus eine Ausrichtung. Doch gibt es heute so viel mehr zu erleben in Pen and Paper, als «Wir ziehen durch das Land und slayen allerhand». Wo sind die vertrackten Plot-Lines, Intrigen, Investigationsgeschichten und Dramen? Fest aufgefallen ist mir das bei den Einsteigersets von D&D, DSA und WFRS. Da wird einem sofort klar, wer wofür steht und woher kommt. Amerika, Deutschland, Grossbritannien.

Es hat schnelle Regeln

Etwas das mir gefällt, aber auch nicht, ist die Geschwindigkeit der D&D-Regeln. Hier wird pro Handlung wenig gewürfelt und gerechnet. Was mir fehlt ist die aktive Parade. Ich verstehe den Ansatz von würfeln, rechnen, Schaden verrechnen. Aber in einem Kampf, kann doch auch der Abwehrende sich zumindest aktiv verteidigen?

Es geht um die schnelle Verbesserung

Wer simulationistisch spielen will, wird sich im deutschsprachigen Raum nicht unbedingt auf Dungeons & Dragons stürzen. Die Welt ist nicht sehr tief und die Storys eher flach. Es ist gar nicht so einfach, sich in der Lore von Dungeons & Dragons weiterzubilden. Am ehesten geht das noch über Wikis und Belletristik. Wer Bock auf Action, Taktik und Level-Aufstieg hat, der ist hier jedoch gut aufgehoben: denn Level 20 wartet schon. Und wer wollte nicht schon immer gottgleich Gerechtigkeit bringen oder dämonengleich Angst und Schrecken verbreiten?

Konklusion

Amerikanisch, clean, durchdesignt, gut vermarktet, wenig Nährwert: das ist Fast Food. Mir ist klar, dass das Geschmacksache ist. Und ich gebe zu, auch mir schmeckt dann und wann ein Burger.

Ich möchte erfahren, wenn es neue Artikel gibt!

9 Kommentare

  1. Ein wirklich interessanter Ansatz! Und obwohl ich D&D wirklich sehr schätze, schäume ich ganz und gar nicht vor Wut. Ich schmunzle eher. Zu den einfachen Regeln: Es gibt viele Beispiele für Vereinfachung ins Sinnlose, mein liebstes sind Schilde. Man fasst alle Formen in einem Gegenstand zusammen und lässt kompett ausser Acht, dass Buckler und Turmschilde definitiv anderen Schutz bieten. Abgesehen davon, dass man sehr wohl mit einem Schild zuschlagen kann. Es lebe Homebrew 😉 Beim Rest finde ich deine These etwas unfair: Die Spielregeln sind ein reines Physikbuch, der Aufstieg und die Belohungen sind dem DM überlassen. Wenn man die offiziellen Abenteuer liest, ist es jedoch in der Tat so, dass die Spieler sehr Oft sehr schnell zu Superhelden werden.
    Ich denke D&D öffnet für viele die Welt in eine Wunderbare Spielewelt in die man hereinwachsen kann.

    1. Danke für den Kommentar!
      Ja, unfair, vereinfacht und nicht 100%ig ernstgemeint. Das stimmt! Mir fällt aber auch auf, wie viele D&D-Verfechter es gibt, aber wenn ich die Kaufabenteuer anspreche, dann verfechtet die keiner mehr. Alle sind Fan vom Brand und von den 5e-Regeln, aber niemand findet die Welten und Karten und Plots und Abenteuer über alle Zweifel erhaben. Das hört man z. B. bei Cthulhu oder Warhammer seltener. I don’t know why. Und… Ich spreche hier natürlich von D&D 5e und auch von der Art, wie man Dungeons & Dragons heute spielt. Wie man es auf Twitch und YouTube sieht und nicht, was jeder einzelne daraus macht. Denn wer sagt: „Das kann man auch völlig anders spielen!“ Dann stimmt das. Aber man kann alles anders machen, als es gedacht ist, anpassen und verbessern und dann ist es halbwegs gut. : )

  2. Nuja, dass gilt beim besten Willen für gewisse Spielweisen bei 5e oder 4e (vom Eindruck her), ich denk alle davorgehenden Editionen passen eher schlecht in diese Definition.

  3. Leider eine recht oberflächliche Betrachtungsweise, die sich bei genauerer Betrachtung eher als eine Sammlung von Vorurteilen entpuppt und zum Teil schlicht und ergreifend falsch ist. Gehen wir die einzelnen Punkte einmal durch:
    1) Sehr amerikanisch: Zumindest grundlegend ist diese Feststellung nicht falsch. D&D stammt wie viele andere Systeme auch aus den USA. Eine Definition, was den Unterschied zwischen einem amerikanischen System und einem sehr amerikanischen System ausmacht bleibt der Autor aber schuldig. Aller Logik nach müssten Systeme, die aus Amerika stammen und in denen Amerika auch Teil der Spielwelt ist, etwa Shadowrun und World of Darkness dann doch noch amerikanischer sein als D&D.
    2) Flashy: Wie farbenfroh und auffällig die Kleidung der Charaktere ist, sollte bei allen Systemen, dem Geschmack der Spieler überlassen sein.
    3) Superheldentum: Was den Powerlevel angeht, rangiert D&D in der fünften Edition im mittleren Bereich der Fantasy-Rollenspielsysteme. Eine durchschnittliche D&D-Gruppe würde gegen eine typische DSA-Gruppe die Oberhand behalten, aber gegen einen einzelnen, neu aufgestiegenen Exalted-Charakter hoffnungslos untergehen. Bei D&D gibt es zwar viele, verschiedene Fantasy-Rassen. Zumindest Powergamer bevorzugen aber ganz klar mehrheitlich die Spezies Mensch.
    4)Schneller Aufstieg auf Kosten der Lore: Dass die Storys nicht tief wären, ist eine Unterstellung, denn, was Kampagnengeschichten angeht, hängt dies immer vom Spielleiter und nicht vom System ab. Zwar ist die Welt nicht so detailliert wie die von DSA, aber nicht jedes Dorf in einer Welt muss bis ins Detail beschrieben werden, um in dieser Welt gute Geschichten zu erzählen.
    5) Kampflastig: Schlicht und ergreifend Unsinn. Kein System ist mehr oder weniger kampflastig als ein anderes. Wie kampflastig das Spiel wird, hängt zu 100% von Spielleiter und Gruppe ab, nicht vom Regelwerk. Ich habe viele D&D-Gruppen geleitet, in denen es in erster Linie um Diplomatie oder Rätsel ging. Die kampflastigste Gruppe, in der ich gespielt habe, war übrigens eine Vampire-Gruppe.

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