50 Jahre Rollenspiel

Seit über fünf Dekaden sitzen Menschen an Tischen und würfeln um das Leben ihrer Charaktere. Sie erkunden Dungeons und bekämpfen Drachen. Happy Birthday, Rollenspiel!

50 Jahre ist es her, seit das erste Rollenspiel in den Handel kam. Ein halbes Jahrhundert, das ist mehr als die Hälfte eines durchschnittlichen Menschenlebens oder ein Viertel eines durchschnittlichen Zwergenlebens. Die Rollenspielenden der ersten Garde tragen längst graue Bärte und erzählen von den Legenden aus alten Tagen.

Ähnlich wie mit den Computer-Spielen, sind es schon lange nicht mehr nur seltsame Keller-Asseln, die diese Rollenspiele spielen. Die Gesellschaft fürchtet Rollenspiele nicht mehr als satanische Rituale, wie in den USA der 80er. Auch wenn längst nicht alle Leute wissen, was Rollenspiel ist und die eine oder andere einen schräg ansieht, wenn man es erklärt: Heute ist Rollenspiel bekannter und anerkannter denn je. Und das ist wunderbar so.

Ein Blick zurück

Am Anfang war Tabletop. Erwachsene Männer spielten Krieg mit Zinnminiaturen. Sie stellten historische Schlachten nach. Den Sezessionskrieg oder die Schlacht bei Waterloo. Bis zwei Herren namens Dave Arneson und Gary Gygax auf die Idee kamen, auf ein Einzelschicksal reinzuzoomen und die Geschichte eines einzelnen Kämpfers zu verfolgen. 1974 veröffentlichten sie das erste kommerzielle Rollenspiel, welches den Namen «Dungeons & Dragons» erhielt und diesen bis heute trägt.

In den 70ern und vor allem 80ern kamen einige weitere Systeme für andere Genres, wie Space Opera und Horror, auf den Markt, welche ebenfalls bis heute bestand haben, in neuen Editionen erhältlich sind und fleissig gespielt werden.

50 Jahre Rollenspiel Happy Birthday Dungeons and Dragons
Image by Wizards of the Coast

In den 90er Jahren nahm die Beliebtheit von Rollenspielen etwas ab, weil in dieser Zeit Computerrollenspiele und Videospiele nach ihrem analogen Vorbild aufkamen. Ausserdem hatten Kartenspiele wie z. B. «Magic – The Gathering» Hochkonjunktur.

Bis die Popularität durch Streaming-Dienste, Social Media und Hollywood (LotR) den Einzug der Nerd-Kultur in den Mainstream einläuteten. Superhelden wurden nun auf Babystrampelanzüge gedruckt, Hornbrillen wurden chic, japanische Animes sind allen bekannt. Und schliesslich kommt Dungeons & Dragons mit The Big Bang Theory, Stranger Things und Critical Role in den Lichtkegel des öffentlichen Bewusstseins. Aus einem Hobby zum Fremdschämen entstehen völlig unerwartet Berühmtheiten, die mit Rollenspiel ein Medienimperium begründen. Fans sehen sich Staffeln von 100 vierstündigen Folgen im Internet an, in deren Episoden neun Menschen nur blödeln, quatschen und so tun, als seien sie jemand anderer, während sie vor der Kamera an einem Tisch sitzen und trinken.

Der aktuelle Stand

Wenn ich mir die Roundtable der Exandria-GMs angucke, dann bin ich mit Stolz erfüllt, obwohl ich damit überhaupt gar nichts zu tun habe. Drei Menschen, die noch vor 20 Jahren verschämt in ihrer Küche gedanklich Orks bekämpften mit ihren seltsamen Freunden, sprechen jetzt selbstbewusst in der Öffentlichkeit über eine neue Kunstform.

Sie verdienen alle ihr Geld mit diesem komischen Spiel und stecken zehntausende weitere Menschen an, es ihnen gleich zu tun. Nicht umsonst spriessen all diese Podcasts, Twitch-Channels und YouTube-Berater aus dem Boden, wie die Pilze im feuchten Herbst.

Die Blütezeit der Foren ist längst vergangen. Es gibt nach wie vor grosse und gewichtige Monumente des Rollenspiels im Internet. Aber die Klientel der Foren besteht vorwiegend aus Herren, wie mir, die ihr Expertentum kundtun, während der Bauchansatz zunimmt und die Anzahl Haare auf dem Kopf abnimmt.

Die zahlreich nachströmende, junge Spielerschaft mag Virtual Tabletops, DnDbeyond, Discord und Internet-Shows. Und ja, wir bärtigen Altmagier mögen das auch.

Ein Blick nach vorn

Zu seinem 50sten Jahrestag bringt Dungeons & Dragons seine überarbeitete fünfte Edition raus. Die Jubiläumsfassung 2024, sozusagen. Die goldenen Zeiten der alten Rollenspiele in Deutschland scheinen angezählt, dafür ist international so viel erhältlich und los, dass es eine wahre Freude ist.

Es verhält sich ein wenig, wie vor fünfzehn Jahren die Musikindustrie. Die Tendenzen:

  • Viele kleine Player diversifizieren den Markt
  • Die angebotene Quantität erschwert das Erkennen der Qualität
  • Es findet eine unaufhaltsame Digitalisierung statt

Dinge sammeln, Bücher lesen, Brettspiele spielen, Filme gucken, Klugscheissen, Geschichten schreiben, Dioramen basteln, Tagträumen – das alles ist wirklich grossartig, jedes für sich. Aber keines ist so gut, wie Rollenspiel, welches all diese Dinge vereint und vervollkommnet.

Zum 50. Geburtstag ein selbstgebrautes Rollenspielgedicht:

Rollenspiel, du gibst mir viel

Rollenspiel, du gibst mir viel
Orkse kloppen, ohne Reue
Jedes Mal wieder aufs Neue
Rollenspiel, du gibst mir viel

Rollenspiel, du gibst mir viel
Den Abstand von Echtweltproblemen
Und das Erleben von Extremen
Rollenspiel, du gibst mir viel

Rollenspiel, du gibst mir viel
Dungeons raiden, Schätze looten
Death Saves würfeln, halb verbluten
Rollenspiel, du gibst mir viel

Rollenspiel, du gibst mir viel
Geschichten, in denen ich verweile
Und sie derweil mit Freunden teile
Die Vorstellung bietet die bessere Realität. Punkt.

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