Metagaming und rote Heringe

Metagaming ist ein grosses Thema in der Rollenspieltheorie. Denn es gibt keine scharfe Trennung zwischen Spielenden und Charakteren. Sie sind durch den gleichen Geist verbunden und geben einander fleissig Hinweise weiter. Lässt sich das verhindern? Und wenn ja, wie?

Da wir im Rollenspiel eine Welt beschreiben und sie uns vorstellen, sehen wir nur, was uns beschrieben wird. Alles andere ist gar nicht da, ausser wir erfragen es und die Spielleitung ergänzt. Das bedeutet, dass gut beschriebene Elemente häufig mehr Gewicht bekommen. Sind sie deshalb wichtiger? Potenziell ja, aber nicht immer. Und nun?

Das Geschehnis, welches zum Artikel führte

Letztens hatten wir in einer Gruppe den Moment, wo ich eine Information zu einem noch nicht eingeführten NSC gab. Dieser NSC war nicht zwingend Bestandteil des Abenteuers, es hätte aber die Möglichkeit gegeben, ihn aufzusuchen. Aufgrund des historischen Settings wäre es für die Spielercharaktere nur natürlich gewesen, von dieser allseits bekannten Person Kenntnis zu haben.

Nun führte aber allein die Erwähnung des NSCs dazu, dass die Spielenden sich überlegten, ob sie die Person aufsuchen müssten. Das ist natürlich reinstes Metagaming. Andererseits wäre es doch auch normal, diesen NSC aufzusuchen.

Worum geht es eigentlich?

Kommen wir also zu des Pudels Kern: Die Erwähnung eines Ortes, einer Person, einer Tatsache führt dazu, dass diese von den Spielenden als wichtig erachtet wird – und somit auch von den Charakteren. Das ist ein bekanntes Phänomen. NSCs mit Namen sind wichtig, namenlose Leute, die nur am Rande erwähnt werden, sind automatisch unwichtig.

Lässt sich das verhindern?

Das liesse sich verhindern, indem die Spielleitung sogenannte Rote Heringe (Red Herrings) ins Spiel einführt. Also Fährten, die komplett im Nichts verlaufen. «Jemandem einen roten Hering zuwerfen» bedeutet jemanden auf eine falsche Fährte locken. Diese eingestreuten falschen Fährten sollen die harten Hinweise aufweichen und sie in der Masse untergehen lassen, damit sie nicht zu offensichtlich sind.

Nun können clever einestreute rote Heringe zwar genau den richtigen Effekt bringen, aber auch tödlich nerven. Stell dir vor, die Charaktere verfolgen eine Fährte eine vierstündige Session lang, um am Ende herauszufinden, dass diese sie keinen Schritt näher an die Lösung des Mysteriums gebracht hat. Das birgt grosses Frustpotenzial.

Die Lösung des Dilemmas?

Die Lösung gibt es nicht, so viel vorneweg. Eine mögliche Lösung ist, alles so subtil wie möglich zu handhaben. Also das Einstreuen von Namen nicht zu offensichtlich zu gestalten. Und das Erwähnen wichtiger NSCs vergleichbar mit dem Erwähnen unwichtiger NSCs zu halten. Zusätzlich sollten falsche Fährten kurz gehalten werden. Je kleiner der Aufwand für die Spielenden, der falschen Fährte zu folgen, desto kleiner der Frust.

Am Ende müssen wir uns darauf verlassen, dass kein absichtliches Metagaming betrieben wird, welches zu unfairen Vorteilen führt. Und dass die Spielleitung keine fiesen falschen Fährten legt, die die Spielenden an der Nase herumführen. Sonst wird aus einem kooperativen Spiel plötzlich ein kompetitives Spiel (SCs gegen SL) und das ist die Art von Rollenspiel, die keinen Spass macht.

Zusammengefasst

Spielende, versucht In- und Out-game-Wissen so gut als möglich zu trennen! Spielleitungen, vermischt und verwebt die wichtigen und unwichtigen Hinweise in den Beschreibung so smooth, dass sie gleich viel Gewicht bekommen und ineinander verschwimmen! So glätten wir gemeinsam die Falten zerknautschten Rollenspiels.

Ich möchte erfahren, wenn es neue Artikel gibt!

Ein Kommentar

  1. Ich war früher auch ein strenger Verfechter der Trennung von Spieler- und Figurenwissen, sehe das inzwischen aber kritischer.
    Erstens ist es schlicht nicht möglich, ausschließlich die Charakterperspektive zu übernehmen – dafür muss man im Kopf viel zu viel Eindrücke der Spielwelt ergänzen, weil der „sensorische Input“ der SL naturgemäß zu knapp ist und auch im Sinne des Spielflusses und der Verarbeitungsmöglichkeiten sein muss; wir ergänzen also immer die Spielwelt mit impliziten Inhalten.
    Zweitens ist es in mehreren Spielstilen essentiell, ein hohes Metagaming zu betreiben, namentlich in GAM und NAR, und damit erstmal überhaupt nicht zu problematisieren.
    Drittens, die Frage: wird das Spielerlebnis dadurch besser, dass man sich aktiv dafür entscheidet seine Figur *nicht* konform mit dem eigenen Spielerwissen über eine bessere Lösung handeln zu lassen? Oder führt das nicht konsequent zum „Taschenlampenfallenlassertum“?
    Viertens, als Frage des Szenariodesigns: Baue ich eine historische Persönlichkeit ein, die meine Spielenden kennen, und erwarte dann, dass sie um die einen Bogen machen weil sie wissen, dass die Person wichtig und interessant ist? Ernsthaft? Warum?

    Ich denke, derlei Diskussionen über die „Rechtmäßigkeit von Metagaming“ können inzwischen getrost ad acta gelegt werden.
    Relevanter finde ich es, den Begriff weiter zu fassen und sich dadurch Grundsatzfragen zu stellen, die eigene Präferenzen und Spielstile betreffen… siehe z.B. hier: https://rpgnosis.wordpress.com/2022/02/23/der-vorstellungsraum-4-metagaming/comment-page-1/
    🙂

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