Worst-Case-Rollenspiel

oder «10 Dinge, die dein Rollenspiel kaputt machen». Manchmal ist Rollenspiel ein Quell wahrster Freude. Und manchmal eine nie enden wollende Qual.

Ich habe ein Spiel erlebt, das nicht Fiasko, aber ein Fiasko war. Zufällig waren es genau 10 Dinge, die das Spiel so übel machten. Und hier sind sie, in der Hoffnung, dass wir sie in Zukunft alle vermeiden.

1. Das System nicht erklären

Das ist noch der kleinste Faux-pas. Die Spielleitung liess uns Fertigkeitspunkte auf unseren Charakter verteilen, ohne uns zu sagen, dass auf die von uns verteilten Punkte nochmal Punkte draufkommen, oder dass wir die drei Fertigkeitengruppen damit automatisch mit einem Basiswert ausstatten. Das führte dazu, dass die ganzen Gedanken, die wir uns beim Verteilen machten, am Ende wenig Wert waren oder sogar komplett über den Haufen geschmissen wurden.

2. In-game und out-game vermischen

Ja, es ist schwierig und abstrakt, das Wissen, das die Spielenden haben, vom Wissen der Charaktere zu trennen. Aber beim Rollenspiel gilt es nun einmal, Charakterwissen und Spielerwissen auseinanderzuhalten. Wenn dann Spielende Informationen innerhalb des Spiels nutzen, die ihr Charakter nicht hat und sich dann rechtfertigen mit «aber das hast du doch vorhin gesagt!», dann ist ein unruhiges Spiel vorprogrammiert.

3. Historien-Wissenskanone

Die Spielleitung erwähnte ein Jahrhundert und ein Spieler tat sofort Kund, dass er sich in diesem Jahrhundert besonders gut auskenne. Er nannte ganz viele zufällige Fakten aus dieser Epoche und wir hofften, es sei damit getan. Doch die nächste halbe Stunde belehrte dieser Spieler bei jeder einzelnen Handlung und jeder Aussage die anderen Spielenden, dass sie das so gar nicht könnten, weil dies zu der Zeit nur gewissen Bevölkerungsschichten vorbehalten war. Kein Vergnügen, weder für die Spielleitung, die versucht ein Abenteuer zu entwickeln, noch für die Mitspielenden, die sich vor jedem Satz fürchteten, den sie äussern.

4. Charakteragenda

Zwei der Spielenden hatten sich Rollen ausgesucht, die sie von Anfang an zu Statisten machten, ohne es zu wissen, was die Spielleitung jedoch nicht verhinderte. Die beiden hatten sich dazu auch noch eine private Fehde ausgedacht, die sie nonstop ausspielten, weil sie in der eigentlichen Handlung nichts zu suchen hatten. Die beiden hatten zwar Spass, leider kam die Handlung dadurch aber kaum voran.

5. Sprachen- und Geschlechter-Wirrwarr

Am Tisch sassen Deutschsprechende, die Schweizerdeutsch verstanden und solche, die bei dem drumherum herrschenden Lärm Mühe hatten, alles mitzubekommen. Es gab Schweizer, die bei jedem zweiten Satz ins Hochdeutsche verfielen, um dann doch wieder Schweizerdeutsch zu sprechen und Schweizerinnen, die einfach ihr Schweizerdeutsch durchzogen. Das führte dazu, dass nicht alle alles verstanden, gewisse Charaktere sehr inkonsistent rüberkamen, weil die Spieler (und somit die Charaktere) ständig die Sprache wechselten und so ein totales Sprachenchaos entstand. Meistens verstanden zwar alle fast alles, aber eben nur meistens und fast. Dazu spielten Männer Frauen und Frauen Männer, was beim One-shot zusätzlich dazu führte, dass Damen mit er und Herren mit sie angesprochen wurden.

6. Gruppenteilung

Ständig gingen die Charaktere in anderen Kombinationen irgendwohin, sodass (bei sechs Spielenden) irgendwann alle ein durcheinander bekamen, wer jetzt eigentlich gerade mit wem wo war.

7. Story-Anker überall

Der One-shot war als eine Art Sandbox aufgebaut, wo der eigentliche Plot-Hook nur der Köder war, um in die eigentliche Handlung überzuleiten, was aber misslang, worauf ständig neue Anhaltspunkte auftauchten, die weder Charaktere noch Spielende wirklich interessierten, zumindest nicht alle. Es gab eine grosse Verzettelung zwischen ursprünglichem Story Hook, neuen Hinweisen und der eigentlichen Mission, von der sowieso niemand wusste.

8. Zeitdruck

Zu all dem Chaos und Elend kam auch noch hinzu, dass das Event an dem das Spiel stattfand Convention-Charakter hatte. Was bedeutete, dass manche der Spielenden weitere Termine hatten und Menschen vom Organisationskomitee vorbeikamen, um darauf hinzuweisen, dass dieses Spiel jetzt bald einmal enden sollte. Worauf die Spielleitung die Frage stellte, ob sie kürzen solle, was bejaht wurde und nicht dazu führte, die ganze Verwirrung am Ende noch aufzulösen, respektive auflösen zu können.

9. Gut gespielt, ist halb verloren

Zu diesem Punkt muss ich irgendwann einen eigenen Artikel machen, denn er ist zu interessant. Wenn eine ihren oder einer seinen Charakter gut spielt, führt das manchmal zu Ressentiments gegenüber dem Spieler oder der Spielerin. Ist mein Charakter unzuverlässig und überbringt rollengerecht nur die Hälfte der Informationen, die er erhalten hatte, ist das gutes Rollenspiel, verärgert aber die anderen Mitspielenden, die ja gehört hatten, was mein Charakter gerade (an einem anderen Ort in der Stadt) erzählt bekommen hatte. Und sie denken, ich als Spieler, sei ein bisschen doof. Ist hier so passiert. Ich bin aber nicht doof, ich habe nur meinen Charakter konsequent gespielt.

10. Alles ausser Rollenspiel

Am Ende lief es darauf hinaus, dass drei von sechs Spielenden still dasassen und sich in-game wie out-game fragten, wo wir gerade waren und was wir tun sollten. Eine Person tobte sich jeweils spielerisch aus und versuchte zu retten, was zu retten war. Die Spielleitung machte unbeirrt weiter, als ob alles gut wäre. Und zwei der sechs, nämlich die, deren Charaktere von Anfang an nichts in diesem Szenario verloren hatten, spielten offen Tic-Tac-Toe auf einem Stück Papier, statt zuzuhören oder teilzunehmen.

All dies ist im selben, dreistündigen Spiel geschehen. Kaum zu glauben. Es war wirr, chaotisch, sinnlos und langweilig zugleich. Niemand konnte als einzelne*r etwas dafür, doch insgesamt war niemand begeistert. Ein Mitgrund, warum das so ausartete: Es waren zu viele verschiedene Typen von Spielenden dabei, ohne dies zu Beginn zu wissen. Da waren Story-Treiber, Schauspielerinnen, Historiker, Nichtaufpasser und eine Spielleitung, die das alles weder voraussah, noch kontrollieren oder abfangen konnte. Also packten wir am Ende etwas ratlos zusammen und einige von uns spielten anschliessend eine Runde Fiasko. In diesem Spiel ist immerhin bewusst alles chaotisch.

Ich möchte erfahren, wenn es neue Artikel gibt!

5 Kommentare

  1. In einem Drei-Stunden-Slot eine Sandbox mit sechs unbekannten Spielern in einem diesen unbekannten System und darin selbst gemachten Charakteren? Das reicht schon mehrfach für ein Fiasko.
    Die Spielleitung sollte nochmal in sich gehen und sich fragen, was sie da eigentlich macht…

  2. Wäre ja mal sehr interessiert daran, was die sich für Charaktere gebaut haben, dass sie „nutzlos“ für ein Abenteuer waren.
    Vor allem warum die Spielleitung das nicht unterbunden hat.

    1. Hatte ich mal sozusagen in einer offiziellen Runde
      Dem Char fehlte ein angeblich, offizieller Mitarbeiter Extrem Regel 0 Nicht Mit spieler, essentieller Skill der nachher überhaupt nie nicht gebraucht wurde.
      Der SL gab keine Infos dazu raus.

  3. Das Kernproblem war wohl, dass es zu viele Spieler waren. Die meisten der Probleme wären mit weniger Spielern viel weniger gravierend geworden oder mit geringerer Wahrscheinlichkeit aufgetreten.

    Man kann durchaus eine (kleine!) Sandbox in drei Stunden leiten. Vermutlich erst der SL sehr unerfahren. Schon bitter, wenn wenn die Spielrunde dann so vor die Wand fährt.

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