Dragonbane: Eine Legende kehrt zurück (Rezension)

Dragonbane ist eigentlich «Drakar och Demoner»; und für die Schweden, was «Das Schwarze Auge» für Deutschland ist. Ich muss dich warnen: Ich mag irgendwie alles daran.

Dragonbane (zu Deutsch «Drachenfluch») ist die Neuauflage eines europäischen Rollenspielschwergewichts, welches 1982 seine Geburtsstunde hatte. Der Verlag der neuen Dragonbane-Auflage namens Free League (oder Fria Ligan in Schwedisch) hat einen Slogan zu dem Rollenspiel erfunden. Er lautet «A Legend Reborn». Und das scheint es zu sein – legen… wait for it… där. So sehr, dass in Schweden das Rollenspiel mit den Drachen in der Vergangenheit nie D&D war, sondern immer «Drakar och Demoner», das schwedische Original von Dragonbane.

Drakar och Demoner heisst übersetzt Drachen und Dämonen. Die Legende besagt, dass ein Chaosium-Praktikant über den grossen Teich nach Schweden zurückkehrte und dort anfing, seine eigenen Rollenspiele zu entwickeln. Drakar och Demoner war geboren.

Zum neuen Dragonbane wurde «Drakar och Demoner», weil Free League sich dazu entschied, die Neuauflage international zugänglich und somit englisch zu machen. Beziehungsweise das Spiel über die schwedische Landesgrenze hinaus bekannt und verfügbar zu machen, wohlgemerkt 40 Jahre nach dessen Erscheinen. Danke dafür, Fria Ligan. Der Originalname ist denn auch Programm: Drachen und Dämonen. Nicht nur ist es eine offensichtliche Anspielung auf Dungeons & Dragons, es wird auch im Regelwerk genutzt. Ein Critfail heisst «einen Dämon würfeln», ein kritischer Erfolg ist ein gewürfelter «Drache».

Wunderbare Illustrationen

Ich mag die Aufmachung und die Illustrationen. Extrem. Die Malereien sind einfacher gehalten als bei manch anderem Fantasy-Rollenspiel, aber sie sind so schön auf den Punkt und zwischen realistisch und komisch. Ich bin ganz entzückt. Ich liebte immer schon diesen Zeichen- und Malstil von D&D Planescape. Und obwohl der Stil von Dragonbane-Illustrator Johan Egerkrans nicht direkt mit dem Stil von Tony DiTerlizzi vergleichbar ist, erkenne ich doch eine gewisse Ähnlichkeit in Zeichnung und Farbgebung. Auf jeden Fall begeistern mich beide.

Die Illustrationen führen, wie bei jedem Rollenspiel, zu einem gewissen Gefühl dafür. Bei Dragonbane sorgen diese dafür, dass das Spiel ein bisschen albern, aber auch gruselig wirkt. Ein Griffon (Greiff) zum Beispiel, ist kein heroisches, schönes Tier oder Monster, es ist hässlich und lässt einen beim Anblick erschaudern. Goblins sehen dafür fast knuffig aus, mit ihren grossen Köpfen auf schlaksigen Körperchen. Das nimmt ihnen aber nichts von ihrer Fiesheit. Sie sehen aus, wie Pathfinder-Goblins in Kinderbuchästhetik und das finde ich toll.

Das Charakterblatt, die Karten, das Solo-Abenteuer… Es ist alles ein wenig anders, als ich es kenne oder erwarte. Doch die Änderungen sind ausschliesslich positive Überraschungen. Das muss erstmal einer hinkriegen.

Ich mag aber auch das Layout und die Erzählweise von Dragonbane. Es gibt Flufftexte zu jeder Profession beim Charakterbau. Was ich ein bisschen schade finde, ist dass man für die vorgefertigten Charaktere, die gleichen Illustrationen genommen hat, wie für die Berufe oder Kins (Völker). Ein zweites, individuelles Bild eines Magiers, einer Elfe oder einer Halblingsdame hätten gutgetan.

Fantasy mit Ente

Hervorzuheben sind neben den üblichen Halblingen, Zwergen und Elfen, zwei Völker (oder Kins, wie sie bei Dragonbane heissen, also Verwandtschaften) namens Wolfkin und Mallard. Wolfkin sind anthropomorphe Wölfe, während Mallards anthropomorphe Enten sind. Die Mallards sind das optische Alleinstellungsmerkmal von Dragonbane. (Eigentlich von RuneQuest übernommen, siehe Kommentar von Andre!) Sie geben mir ein klein wenig Donald-Duck-Feeling. Duck Tales und Darkwing Duck kommen einem in den Sinn. Wer diese als Kind konsumiert hat, kann sich gut damit identifizieren.

Regelmechanik von Dragonbane

Es ist eine W20-Engine, bei der ein Zielwert unterwürfelt werden soll. Dadurch ist eine 1 top und die 20 flop. Im Kampf gibt es ein paar witzige Spezialitäten. Die Initiative wird zum Beispiel mit Kartenziehen bestimmt und das in jeder Kampfrunde wieder neu. Ja, richtig: Nicht pro Kampf neu, sondern pro Runde neu. Ausserdem darf man «warten». Also nicht aussetzen, sondern seinen Platz in der Initiativrunde freiwillig mit jemandem tauschen, die/der später drankäme.

Das Core Set ist zudem grosszügig umfangreich. Es gibt darin Kartensets für Initiative, Schätze und Abenteuer. Es gibt das Charakterblatt und vorgefertigte Charaktere. Es gibt Karten und Spielerkarten. Es gibt sogar Standees, eine Battle Mat und ein Solo-Abenteuer.

Free League

Ich mag die Schweden. Als ich bei Free League einmal eine Presseanfrage gestartet hatte, kam eine sehr freundliche und überschwängliche E-Mail zurück. Zum Vergleich: Bei so manchem amerikanischen und deutschen Verlag kam nichts, wenig oder etwas mit wenig Begeisterung. Hier kam Lebensfreude, Freundlichkeit und die Einladung zu Rezensionsmaterial zurück. Die Schweden können und mögen Rollenspiel. Die RPG-Shops in Schweden platzen vor Würfeln, Büchern und Know-how aus allen Nähten. Die Schweden können Rollenspielbegeisterung.

Free League macht irgendwie immer wunderschön anzuschauende Produkte. Zum Beispiel das mehr als hübsche The One Ring oder mein Favorit Tales from the Loop. Aber auch Mutant, Bladerunner, Alien und Vaesen. Bei Vaesen war übrigens ebenfalls Illustrator Johan Egerkrans am Werk.

Dragonbane Spieltest

Um das Spiel anzutesten, habe ich mir das Solo-Abenteuer vorgenommen, welches enthalten ist. Dazu nehme ich mir einen fertigen Charakter namens Bastonn Bloodjaw. Es ist ein Wolfkin-Fighter, der Einfachheit halber. Da ich allein spiele, bekomme ich ein paar Vorteile. Die Zufallstabellen für Grössen, Weiten, Werte und Reaktionen sind simpel und genial. Auch die Anweisungen dazu: Wer entscheiden will, entscheidet; wer den Zufall will, der würfelt. Am Ende scheitere ich daran, dass das Abenteuer nur auf Zufällen beruht. Nicht meine Kragenweite.

Fazit

Das Regelwerk ist kurz, präzis und schön anzuschauen. Die Regeln sind sinnvoll, verständlich, kommen einem bekannt vor, haben aber interessante Überraschungen drin. Fantasy-Regelwerke und -Settings haben es bei mir nicht leicht. Der Slot ist schon mit den üblichen Verdächtigen namens Warhammer, DSA und DnD gefüllt. Ich kann ja nicht alles kennen, mögen und spielen. Aber Dragonbane, respektive Drakar och Demoner, ist wahrlich legendär, schwedisch und sympathisch.

Dragonbane ist im Vergleich regelleicht und bringt die richtige Mischung aus Hässlichkeit und Schönheit. Es nimmt sich nicht allzu ernst, ohne dabei albern zu sein. Die Aufmachung und Grafiken sind toll. Um es in der Dragonbane-Terminologie auszudrücken: Dragonbane ist für mich weit weg davon, ein Dämon zu sein und wirklich nahe an einem Drachen.

Nachtrag: Dragonbane erscheint in sechs zusätzlichen Sprachen bei diesen Verlagen: Deutsch (Uhrwerk Verlag), Französisch (Arkhane Asylum), Italienisch (Need Games), Spanisch (Devir Games), Norwegisch (Aegir Games), and Dänisch (Faraos Cigarer).

Ich möchte erfahren, wenn es neue Artikel gibt!

2 Kommentare

  1. „… Die Mallards sind das optische Alleinstellungsmerkmal von Dragonbane….“
    Enten gibt es in RuneQuest (das Chaosium RPG, welches das 1982er DoD inspirierte) schon seit 1978 und sind auch in der aktuellen 7. Auflage weiterhin enthalten.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert