Was mir an Marktmacht nicht gefällt

Dungeons & Dragons geht ab, wie eine Rakete. Und während dieses bemannte Himmelsgeschoss unter grossem Tosen auf dem Weg zum Firmament ist, jubelt unten Fähnchen schwingend das Rollenspielvolk, weil ihr lange unverstandenes Hobby endlich Gehör findet. Ist das zu unserem Besten? Ich (ver-)zweifle laut.

Disclaimer: Das hier ist persönlich. Nur meine Meinung. Weder gut begründet, noch gut recherchiert. Es ist ein Gefühl – mein Gefühl. Es ist kein Rant, es ist eine Befürchtung. Niemand muss das aufnehmen, unterstützen, beantworten oder kritisieren. Aber alle, die das Bedürfnis verspüren, dürfen das natürlich.

Jüngst gibt es grosse Diskussionen, ob es gut ist, wenn D&D die Rollenspielwelt noch mehr übernimmt, oder nicht. Ich glaube, die Mehrheit der deutschsprachigen Rollenspieler*innen, ist, zumindest vom Gefühl her, eher offen als kritisch. Sie begrüssen, dass viele neue und junge Leute ins Hobby strömen, dass diese einen anderen, moderneren Ansatz benötigen, begrüssen und verlangen. Dass das Hobby somit ins dritte Jahrtausend gehoben und geschoben wird. Ich bin da weniger optimistisch.

Ich liebe Rollenspiel, habe es wiederentdeckt und ich finde es toll, dass es gerade eine Wiedergeburt erlebt. Doch ich finde es immer bedenklich, wenn zu viel Macht in nur eine Hand fällt. Man denke nur an Der Herr der Ringe oder Star Wars. Beides wurde für die Masse aufbereitet und der Kult dadurch zumindest ansatzweise zerstört. Aus einem Stöcklein Süssholz, welches nur manchen mundete, wurde Zuckerwatte für die Massen. Grell und rosa, statt braun und schrumpelig, süss und klebrig, statt hart und seltsam.

OGL und Kassenklingeln

Wenn ein Haus den Markt beherrscht und bestimmen kann, was gespielt wird, wie gespielt wird und wozu gespielt wird, dann ist das gefährlich. Nicht zwingend im politischen und gesellschaftlichen Sinne, aber für das Spiel. Wenn diese Marktmacht dann auch noch profitiert von ihrer Macht, sprich alle Stellschrauben so drehen kann, dass maximal Geld in die Kassen fliesst… spätestens dann spreche ich dieser Macht den guten Willen ab.

Dann entwickelt man nicht für die Community und versucht das beste Rollenspiel der Welt zu machen, sondern entwickelt dafür, den Reingewinn zu optimieren. Und da komme ich ins Straucheln. Natürlich werden die Macher von D&D auf die Community hören. Sie werden wohl kaum riskieren, die ganze Käufer*innenschaft wieder zu vergraulen. Dennoch gibt man dem Volk am besten Brot und Spiele und verkauft die güldenen Eintrittskarten dafür teuer.

Siehe dazu auch die jüngste Bekanntgabe der brandneuen Open Gaming License OGL 1.1.

Das Problem mit der Lore

Was mir auch immer wieder auffällt, in den vielen existierenden Rollenspielwelten, sind die verschiedenen Interpretationen von Kreaturen, Hintergründen, Monstern oder Lore. (Siehe Artikel alles über Zwerge, Elfen, Drachen, Orks etc.) Diese Interpretationen sind nahe beieinander, weil sie alle denselben Ursprung haben. Sprich, jemand hat schon einmal Standards gesetzt. Doch dieser jemand hat den Standard ohne Absicht gesetzt – nämlich bevor die Kasse mit seinem Werk zu klingeln begann. Und dieses Werk war/ist ein abgeschlossenes Werk. Da wird nicht mehr daran herumgeschraubt, damit es mehr Geld einbringt.

Ich spreche natürlich von J.R.R. Tolkien und Der Hobbit und Der Herr der Ringe. Auch hier wurde danach daran geschraubt, um den letzten Tropfen Geld aus der Fangemeinde zu pressen, aber nicht vom Künstler selbst. Und man sieht jeweils die Entwicklung: Während die Herr-der-Ringe-Filmtrilogie noch halbwegs künstlerischen Anspruch hatte, war die Hobbit-Trilogie nur noch Blockbuster-Bumm-Knall-Bang, was mit dem Ursprungswerk, dem Buch, nicht mehr viel gemein hatte. Weitere solche Beispiele sind Star Wars oder die Superhelden von Marvel und DC. Findige Zeichner, Schreiberlinge und Konzepter entwerfen etwas Funktionierendes, schlingern durch die Handvoll Fans, um den richtigen Halt zu finden, entwickeln es weiter zu etwas Grossem, die Welt entdeckt es für sich, es wird aufgeblasen und verkommt schlussendlich zu einem grossen, unschönen Haufen Unterhaltungsschrott. Und ich bete, dass das jetzt nicht mit D&D geschieht.

Role-playing off the rails

Denn zurück zum eigentlichen Gedanken: D&D ist nicht abgeschlossen. Das entwickelt sich stetig weiter. Immer mehr spielbare Völker müssen dazukommen, immer mehr Komplementärprodukte halten die Kundschaft bei Laune, bis der Overkill kommt und das Ding einfach nur noch Geldmaschine und blöd wird. Wenn D&D, wie es das schon tat und tut, Völker anpasst, ihre Eigenschaften, ihr Aussehen verändert, dann geschieht das nicht, wie bei Tolkien, ohne Dollarzeichen in den Augen und mit einem sprachwissenschaftlichen Hintergrund und dem Wissen über Antike Sagengestalten, es geschieht im Hinblick auf Superlative und Gewinnoptimierung.

Ich befürchte echt ein wenig, dass wir nicht mehr allzu weit weg davon sind, dass unsere Tieflinge mit einer Uzi in jeder Hand in den Krieg gegen die Orks ziehen. Ich hoffe, ich bin ein Schwarzmaler und liege falsch, aber «mark my words», falls meine Befürchtungen sich in einigen Jahren bewahrheiten. Dieser Artikel bleibt hier liegen und wird reifen. Und wenn alles gut geht, wird er verderben und zu Staub zerfallen. Und wenn es so kommt, wie ich es befürchte, wird der Artikel sich (oder ich mich) zurückmelden und sagen: «Ha!»


Ich habe lieber Künstler, die ein Werk aus Liebe zur Sache herstellen, als eine gigantische, gutgeölte Maschine, die mir auf grossen Bildschirmen auf dem Times Square die Neuauflage von Orks in Space schmackhaft machen wird.

Ich möchte erfahren, wenn es neue Artikel gibt!


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Kommentare

10 Antworten zu „Was mir an Marktmacht nicht gefällt“

  1. Avatar von Micha

    God damn fu… freaking shit!

    Exakt meine Worte. Wir alle wollen zu den Gewinnern gehören und den heißen Scheiß hören/lesen/sehen/spielen!
    Deshalb hat der FC Bayern München so viele Fans, obwohl er den Spaß aus der Bundesliga killt. Deswegen … tausend Beispiele! Und wir machen immer wieder mit, springen auf den Hype Train, schauen/hören/lesen/spielen XYZ, folgen der Netflix-Empfehlung oder spielen, was Matt M. spielt.
    Leute, mehr Mut zur eigenen Meinung. Mehr Mut zum Sparten-System, zum neuen YouTube-Channel, zum Unbekannten!

    Denn ist es schlussendlich nicht das, was unsere Fantasie am Leben hält? Was Pulsschlag unseres Hobbys ist?

    Go out, where noone was gone before, choose your own adventure!

  2. Avatar von Andreas (RPGnosis)

    Dass Rollenspiel ein langfristiges Breitenhobby wird, sehe ich ehrlich gesagt nicht. wohl aber die Gefahr, dass der Hype und die Präsenz zeitweise so groß werden, dass es *scheinbar* ein Breitenhobby ist – aber seine Leute langfristig nicht halten kann, weil deren eigenes Spielerlebnis eben wenig mit dem zu tun hat, was man bei yt oder in der Werbung sieht. Eine Seifenblase also, die in ein paar Jahren spektakulär platzen und damit dem Hobby langfristig mehr schaden als nutzen kann, weil es ihm das Besondere und Nerdige nimmt, das es heute noch großteils hat. Und dann ein Großteil der Leute, die mit P&P in Kontakt kamen, damit die üblichen konsumistischen Enttäuschungen erlebt haben, weil es eben nicht „ihr“ Hobby ist, sondern sie auf Werbung (im weiteren Sinn) angesprungen sind.
    Gestern: „Du spielst Pen&Paper? Nie gehört, was soll das sein?“
    Heute: „Du spielst Rollenspiele? So ähnlich wie die bei Stranger Things? Cool, würde ich mir gern mal ansehen!“
    Morgen: „Du spielst P&P? Pffh, ich hab auch mal D&D gespielt, aber das ist doch Mist, versteh nicht wie man jahrelang machen kann.“

    Oder Rollenspiel entwickelt sich noch mehr zu etwas zunehmend passivem, das primär konsumiert, aber nicht selbst gespielt wird. Halte ich auch für möglich, wobei dafür D&D wahrscheinlich die spektakuläre Lore (die etwa das WH40k-Universum hat) fehlt.

    Aber vielleicht sollte man den Tag besser nicht mit einem Rant beginnen… schauen wir mal, wie lange es dauert, bis die ersten Kommentatoren uns damit erleuchten, dass doch jede Aufmerksamkeit und jeder kommerzielle Erfolg von einzelnen segensreich für alle sind…

    1. Avatar von Murphy
      Murphy

      Du sagst da etwas für mich sehr Wahres. Dein Gestern-heute-morgen-Beispiel ist genau das, was ich ein wenig befürchte. Wir werden sehen. Danke für eure Kommentare!

  3. Avatar von Dirk
    Dirk

    Deinem Pessimismus würde ich vielleicht in Bezug auf das System D&D zustimmen – nicht aber unbedingt in Bezug auf die Spielercommunity.
    Zunächst einmal sind es zwei unterschiedliche Dinge ob massenhaft (?) neue Spieler über YT ins Hobby gesogen werden, oder ob WotC das D&D System weiter und weiter von seinem Ursprung entfernt (? ist das so?)
    D&D hat ja schon mit der Weiterentwicklung AD&D angefangen neue Klassen (Ranger, Druide, Monk, Babarian) und Rassen (Gnom, Halbelf) zu ermöglichen. In sofern ist die Entwicklung mit Tieflingen, Drachengeborenen etc. bei D&D absolut nichts neues, es gehört quasi sogar zur D&D DNA. Insofern war D&D – innerhalb der RollenspielCommunity – nie ein Nischenprodukt, sondern immer schon auf „Massencompatibilität“ ausgelegt. Somit ist der große Vorteil von D&D auch gleichzeitig sein größter Nachteil. Aber letztlich ist D&D schon immer ein Min-Max Powergaming System gewesen, denn das ist nunmal auch sein Ursprung.
    Insofern hinkt IMO auch der Vergleich mit dem Franchisetod von Star Wars oder HDR. Diese grundlegende Entwicklung ausgehend von einem abgeschlossenen „Kunstwerk“ hin zu einem blutleeren x-ten Aufguss um noch mehr Kohle rauszupressen, gibt es sicherlich bei Star Wars (Original Trilogie) und auch HDR……. aber bei D&D……? Wo genau bzw. bei welcher Edition würde denn für Dich dieser Übergang stattfinden….. AD&D? …. 3ED. 4.ED???? Für mich keine valide Korelation.
    Und was die vielen jungen/ neuen Spieler im Hobby betrifft, ja davon werden sicherlich 80% -90% nicht dauerhaft dabei bleiben…… na und?
    Ich würde mal sagen, das war auch früher schon so……. auch vor 20 – 30 Jahren haben Dutzende junger Leute mal probiert ob Rollenspiele vielleicht etwas für sie ist und haben es dann nach 2 Sessions…. oder auch 2 Jahren wieder sein lassen. Ohne es genauer zu wissen würde ich auch hier sagen, dass das sicherlich auch 75% plus waren. Eine völlig normale Entwicklung, wie man sie auch in jedem Sportverein sehen kann ….. die Jugendlichen testen halt mal, was ihnen Spaß macht.
    Klar durch den „Matt Mercer Hype“ geht dass viel wuchtiger und schneller. Aber letztlich werden ein paar hängen bleiben, für die es das richtige Hobby ist und viele andere werden weiter ziehen. Und klar durch neue junge Leute wird es neue Entwicklungen geben – das macht das Hobby lebendig – und auch das ist nichts Neues. Ich habe vor 40 Jahren mal mit der Red Box D&D (auch wenn ich schon lange kein D&D mehr spiele) angefangen und seitdem hat sich das Verständnis von Rollenspiel grundlegend gewandelt auch wenn es mit der OSR Welle auch eine Renaissance des ursprünglichen gibt. All das macht/ hält aber das Hobby lebendig. Und das ist gut so.

    1. Avatar von Murphy
      Murphy

      Danke für die Ausführlichkeit und die beruhigenden Worte. Der Übergang bei D&D hat noch gar nicht stattgefunden. Meine Zukunftsangst ist, dass One D&D der erste Anlauf dazu ist. Du hast aber ein paar für mich sehr berechtigte, relativierende Punkte erwähnt. Danke dafür!

  4. […] und die Welt dazu. Ich mag seit jeher Superhelden von DC und Marvel und überhaupt. Aber ich bin trotzdem nicht immer mit allem einverstanden. Der Film ist für mich sehr gelungen, weil er der Inbegriff von D&D ist, mit den richtigen […]

  5. […] die sie an der 5. Edition einführen wollen, kommen bei der Community nicht nur gut an. Erst das OGL-Debakel, jetzt der […]

  6. […] Ziel von Paizo ist: «Pathfinder von der Open Game License, die Anfang des Jahres so viele Kontroversen in der Branche ausgelöst hat, auf die Open RPG Creative (ORC) Lizenz umzustellen, die derzeit mit […]

  7. […] sich mit der treuen Gefolgschaft, die selber Inhalte für D&D kreierten, verspielt hat. Siehe OGL-Debakel! Und zweitens, weil es dadurch für alle Rollenspiel-Kreatoren mit Millionengefolgschaft der […]

  8. […] hat nichts mir der Güte von OneDnD zu tun und nichts damit, ob das Geschäftsmodell sympathisch ist. Es ist einfach nur die Angst, noch weniger Rollenspielmenschen um mich zu […]

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