Alone Against the Static, Call of Cthulhu (Rezension)

Alone Against the Static ist das ofenfrische Solo-Abenteuer für Call of Cthulhu von Chaosium Inc. Es enthält noch nie dagewesene Solo-Mechanismen und eine neue Mythos-Entität.

Alone Against the Static spielt in den 90er Jahren, dummerweise ist man aber so weit ab von allem, dass der Kontakt zur Aussenwelt abbricht. Was bleibt, ist dieses statische Rauschen.

Choose your character

Gespielt werden kann als Charlie oder Alex, welche ein Paar sind, je nachdem, ob man eine Lady oder einen Gentleman spielen möchte. Cool daran ist aber, dass die beiden unterschiedliche Fähigkeiten mitbringen und sich die Wahl deshalb mehr wie in einem Computerspiel anfühlt, als wenn nur Name und Bild den Charakterunterschied von weiblich zu männlich ausmachen. So ergibt sich bereits aus der Wahl des Charakters ein etwas anderes Spielgefühl, glaube ich. Aber es kommt noch diverser.

Um es zu spielen, reicht das, was an Regeln in der Starterbox enthalten ist. Ein zünftiges Regelwerk kann aber nie schaden, zumal im Cthulhu-Regelwerk wirklich alles drin ist, was das Herz begehrt und eigentlich niemand zwingend Erweiterungsbände kaufen muss, auch wenn es schöne Bände über Magie (Grand Grimoire) und Monster (Malleus Monstrorum) dafür gibt.

Alone Against the irgendwas

Against the Static reiht sich in eine Reihe von Solo-Abenteuer für Call of Cthulhu ein, die von unterschiedlicher Güte sind, siehe hier:

Und ich darf schon verraten, Alone Against the Static reiht sich verdammt weit oben ein.

Ein perfekter Einstieg

Die Geschichte von Alone Against the Static beginnt mit: “Somewhere in the forgotten wilds, where pine needles carpet the forest floor, something stirs.” Na, wenn das kein guter Einstiegssatz ist, dann weiss ich auch nicht. Auf Deutsch kann er so übersetzt werden: «Irgendwo in der vergessenen Wildnis, wo Tannennadeln den Waldboden bedecken, regt sich etwas.»

Wie ein Computerspiel

Was ebenfalls neu ist, ist das Log-Sheet. Damit erfährt man, ohne Spoiler, ob man alles entdeckt und gefunden hat, was es zu erkunden gibt, gleichzeitig hilft es, getroffene Entscheidungen festzuhalten. Diese haben nämlich Auswirkungen auf das weitere Spiel. Mir gefällt, dass dieses Solo-Adventure sich so computerspielig anfühlt, obwohl es auf Papier, bzw. als Text in einem PDF daherkommt. Die einfache Mechanik und die neuen Features passen irgendwie perfekt zum 90er-Jahre-Flair. Und ich weiss das, denn die 90er sind das Jahrzehnt, in welchem ich die meisten Computerspiele genossen habe.

Wie ist es?

Ich spiele auf dem Handy. Lese dort das PDF, würfle dort mit einer Würfel-App, die Werte habe ich mir abgeschrieben. Ist nicht die optimale Art, das zu spielen, aber es beweist, dass es geht. Ich habe mich also für Charlie, die weibliche Protagonistin, entschieden. Der Anfang ist stimmungsvoll. Es ist halt schon einfacher, sich in unsere Zeit hineinzudenken, als in die 20er, auch wenn wir glauben, zu wissen, wie die 1920er waren. Das Jetzt ist so vertraut und das Hundert-Jahre-alte ist nur eine Skizze, eine Karikatur, eine Überlieferung dessen, was es wirklich war.

Pine trees sind ein elementares Element in dieser Geschichte. Cool ist, dass es nicht nur äussere Handlungen in der Welt zu entscheiden gibt, sondern innerliche und sehr persönliche Dinge. Bin ich hungrig? Wie empfinde ich gerade meine Lebenssituation?

They, Alex

Die ganze Zeit ist von «they» die Rede. Entweder ist das eine Form im Englischen, die ich nicht kapiere oder es ist ein Fehler. Da sind doch nur Alex und ich. Jedenfalls gibt mir allein dieses «they look at me» schon ein komisches Gefühl in der Magengegend. Oh, now I get it! Das soll ein nichtbinäres Pronomen sein! So kann man auch Alex als weiblich oder männlich nehmen. Korrekt? Ich weiss nicht, denn es ist mein erster verwirrender Kontakt mit dieser Schreibweise.

Spielt sich wie ein gutes Buch

Was mir gut gefällt, ist dass ich über weite Strecken nicht hin- und herspringen muss im Buch. Die Kapitelchen sind alle nahe beieinander und fast chronologisch von vorne nach hinten verteilt.

Die Story liest sich, wie ein gutes Buch. Es ist alles schön beschrieben und ja, ich liebe Nadelwälder und ich mag gruselige Spannung, anstelle von Horror. Da kann dieses Abenteuer schon zwei dicke Haken in die Checkboxen machen.

Irgendwie schaffe ich es, bei allen zwischenmenschlichen Würfen gut zu würfeln, sodass Alex und ich uns wieder besser verstehen. Dafür schaffe ich es aber auch, auf alle Wahrnehmungswürfe, ob hören, sehen oder entdecken, schlecht zu würfeln, sodass ich nichts Ungewöhnliches feststelle und nichts Böses erahne. Wie beruhigend, so ein Ausflug in die schöne Natur.

Dann schliesslich, als sich die Lage zuspitzt, habe ich out-game mehrfach einen erhöhten Puls, ich kann einfach gut Immersion. Vielleicht hilft auch, dass es out-game draussen düster ist und unentwegt regnet.

Dann kommt «To settle in for the night, got o 142». Ich will nicht, aber da ist gar keine andere Zahl, die ich auswählen könnte.

Ich nehme es zurück. Nichts ist mehr chronologisch. Je mehr die Geschichte aus dem Ruder läuft, desto wirrer und weiter werden die Sprünge innerhalb des PDFs. Zufall oder gut gemacht? Ich weiss es nicht. Aber es tut seine Wirkung.

Es löst sich auf, aber eben doch nicht ganz, es bekommt eine Wendung und ein Ende, wie es sich gehört. I very much enjoyed this.

Fazit

Alone Against the Static creeps me out. Das kann ich auf Deutsch nicht besser ausdrücken. Und ich kann echt nicht sagen, ob es an mir und meiner Stimmung liegt, oder ob das Ding so gut gemacht ist, aber es ist eines der stimmungsvollsten Abenteuer, welches ich von CoC oder Cthulhu gespielt. geleitet oder einfach gelesen habe. Und das, obwohl ich nach der Enttäuschung von «Alone Against the Frost» kein Wunder erwartete. Das Thema des statischen Rauschens wird elegant immer wieder aufgenommen, diese Ungewissheit sickert langsam in dein Bewusstsein, keine Ahnung was hier abgeht, aber es gefällt mir nicht. Dieses Gefühl wird dichter und hält so lange an, dass es eine Freude ist.

Ich mag diese simple Mechanik mit dem Log-Sheet. Es verrät einem wirklich nichts, bevor man das Abenteuer nicht spielt und trotzdem hilft es, getroffene Entscheidungen weiter zu nutzen und genommene Umwege nicht ein zweites Mal zu nehmen.

Was es bei meinem Test leider kaum gab, war Kampf, obwohl man diese Aussage bei Cthulhu ja schnell einmal bereuen mag. Ich habe das Abenteuer zweimal gespielt. Zuerst mit Charlie, dann mit Alex. Die grosse Handlung blieb dabei genau die gleiche, die Details und gar ganze Szenen waren jedoch sehr unterschiedlich. Und das Tollste ist, dass die Geschichte viele Ausgänge kennt.

Alone Against the Static ist das beste Call-of-Cthulhu-Solo-Abenteuer, das ich gespielt habe. Mir gefiel auch Alone Against the Flames sehr gut, aber dieses hier hat eine Atmosphäre, die mich richtig eingelullt und gepackt hat. Dieses Solo-Abenteuer war für mich eine tolle Erfahrung. Chaosium – gerne mehr davon!

Alone Against the Static erscheint am 4. Dezember 2023 in englischer Sprache und ist wärmstens zu empfehlen. Zwei Daumen hoch.

Ich möchte erfahren, wenn es neue Artikel gibt!

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