Warhammer: Liebe auf den ersten Blick

Warum Warhammer Fantasy Role-play viel Liebe verdient und total unterschätzt wird. Hoffentlich wird sich das mit der vierten Edition ändern. Denn dieses System bietet liebevolle Produkte und grossartige Abenteuer, wie kaum ein anderes.

Ich kannte das Games Workshop Logo aus meiner Jugend und ich kannte den Namen Warhammer bereits. Doch Echtzeitstrategie gebe ich mir, wenn überhaupt, lieber als Computerspiel. Das Miniaturenspiel, auch Püppchenschubsen genannt, hat für mich nur einen beschränkten Reiz.

Es war die Zeit, als ich mich nach zwanzig Jahren Abstinenz wieder für Rollenspiele zu interessieren begann. Ich bestellte mir gleich vier Einsteigerboxen und las drei davon durch. Ich wollte sehen, was diese Boxen zu bieten haben und erhoffte mir einen leichten Einstieg und einen Überblick über verschiedene Rollenspielsysteme.

Ich begann mit DSA 5, kämpfte mich durch Dungeons & Dragons 5E «Die verlorenen Minen von Phandelver» und landete bei Warhammer Fantasy Roleplay, in das ich mich sofort verliebte.

Liebsame Überraschung

Das tollste im Leben sind doch Überraschungen. Hohe Erwartungshaltung, schnelle Enttäuschung, tiefe Erwartungshaltung, positive Überraschung. Von Warhammer hört man jeweils, dass es so düster oder eben dark and gritty ist, wie die Community zu sagen pflegt. Das kann ich nicht komplett leugnen. Wer auf Kämpfen aus ist, hat hier schlechtere Karten, als im Heldenspiel Dungeons & Dragons. Warhammer ist «From Zero to Hero», falls man nicht vorher zu viele Korrumpierungspunkte sammelt oder einfach den Löffel abgibt. Doch dieser Ansatz, als kleiner Niemand in einer hässlichen Welt bestehen zu müssen, ist einfach nur toll.

Alt und endlich schön

Warhammer Fantasy Role-play ist eines der ältesten Fantasy-Rollenspiele und existiert seit den 80er-Jahren. Da ich es erst jetzt kennenlernte, darf ich sagen, dass ich die Illustrationen der ersten Edition schauerlich finde. Die von der aktuellen 4e sind dafür umso toller. Kein anderes mir bekanntes Fantasy-Rollenspiel hat derartig dynamische Illustrationen, auch wenn Pathfinder nahe an WFRP herankommt. Die Bilder wirken teilweise, als ob sie Bewegung enthielten. Als ob es keine Standbilder sondern Animationen wären. Ein tolles Beispiel dafür ist das Coverbild von «Rauhe Nächte und Harte Tage». Auch die Illus der SC und NSC sind sehr realitätsnah, aber eben doch überzeichnet und comic-haft, was mir persönlich enorm gefällt.

Mittelalter statt Fantasy

Wer vom Mittelalter fasziniert ist, findet hier seinen Frieden. Das Mittelalter war hart, dreckig und stinkig und so ist auch WFRS. Hier gibt es keine glänzenden Rüstungen und keine Magierstäbe auf Stufe eins, die sogar Gandalf vor Neid erblassen liessen. Hier geht der Agitator mit der Flusswache in die Kaschemme und hofft, keinen Ärger zu kriegen. Wer keine Allmachtsphantasien ausleben muss, ist hier gut aufgehoben. Denn diese Welt hat Rettung nötig.

Wie Cthulhu Fantasy

In einer Forumsdiskussion schrieb mir einer als Erklärung, Warhammer Fantasy sei mehr wie Fantasy-Cthulhu, als wie D&D. Das trifft den Nagel auf den Kopf. Die Abenteuer handeln von Intrigen und Investigation, nicht vom Monster erschlagen. Sie sind oft clever gestrickt und enthalten viele Erzählstränge, die parallel zueinander ablaufen. Die Abenteuer kommen teils fast ohne Kampf aus und lassen sich ideal zu Kampagnen zusammenfügen. Wer trotzdem kämpfen will oder muss, könnte es schwer haben. Auch das eine Parallele zu Cthulhu. Korrumpierungspunkte ersetzen den Sanity Loss, aber auch bei Warhammer kommen die Kulte nicht zu kurz.

Geniale Abenteuer

Das Abenteuer aus der D&D-Einstiegskiste hat kaum Plot und verläuft von A nach B, dann wird gekämpft. Von B nach C, dann wird gekämpft. Es wird gekämpft und gelootet, von Ort zu Ort, von Raum zu Raum. Die Drucksachen von D&D sind eher mager und gewöhnlich. Nicht so die Einsteigerbox von Warhammer Fantasy Rollenspiel. Hier gibt es wunderhübsche Heldenbögen, Pappmarker, einen Abenteuerband, der für einige Abende reicht und einen Städteband, der gleich noch einmal Plotideen für viele weitere Spielabende liefert. Kurz gesagt, die Box ist ergiebig. Hier wird nicht versucht, dir wenig zu geben, um Kosten zu sparen und dich zu weiteren Käufen zu verleiten. Hier wird versucht dir so viel zu bieten, dass du knietief in Spielerlebnissen waten darfst.

Kein Einzelfall

Also bestellte ich mir das Regelwerk von Warhammer Fantasy und war wieder platt. Während D&D seine Inhalte bekanntlich auf drei Bände verteilt, wobei der Dungeon Master’s Guide noch nicht einmal die Spielregeln enthält (welch Irreführung!), kommt WFRP in nur einem dicken Wälzer daher, der auch noch mit partiellem Glanzlack, wunderbar dynamischen Illustrationen und unglaublich tollen Einführungsseiten daherkommt. Der Humor kommt nicht zu kurz und so hat diese Welt immer einen comicartigen Touch, also ob Asterix, Monty Python und das Mittelalter sich hier gefunden hätten.

Regeln für den Einstieg

Die Regeln sind bei WFRS zwar etwas komplizierter als bei D&D, dafür sind ganz viele von ihnen optional. Wer keinen Bock auf das Studium des Regelbuchs hat, kann aber auch mit leichten Regeln sehr schnell und einfach spielen. Die Einsteigerbox führt einen sanft an das Spiel heran und liefert gleich ein sehr spassiges, investigatives und gar nicht so kämpferisches Abenteuer, das Lust auf mehr macht.

Eine runde Sache

Dieses Spiel ist in vielerlei Hinsicht keine leichte Kost, dafür wird einem fürs Geld grosszügig etwas geboten. Die Produkte sind liebevoll gemacht, ohne bei den Druckkosten zu sparen und machen deshalb Freude. Die Abenteuer sind dicht und humorvoll, enthalten gar nicht so viel Kampf, dafür so manche Überraschung.

Ich möchte erfahren, wenn es neue Artikel gibt!

Kommentare

13 Antworten zu „Warhammer: Liebe auf den ersten Blick“

  1. […] der Trollkrieger vor dir Gronk oder Samuel heisst, spielt eine grössere Rolle, als du denkst. Bei Warhammer gibt es einen Dämon namens Zahnarzt, was gar nicht so unpassend ist. Für Deutschsprechende […]

  2. […] Erklärung der Spielweise gibt es Regelwerke, Hintergrundbände, Monsterhandbücher, Magiehandbücher, Regionenbände, Waffenbände und […]

  3. […] Warhammer Fantasy unterscheidet Hochelfen und Waldelfen. Während die Waldelfen Wilde, Separatisten und Guerilla-Kämpfer sind und unverstanden bleiben, weil niemand viel Kontakt mit ihnen hat, sind die Hochelfen begnadete Händler und arrogant aufgrund ihrer Überlegenheit. Ich zitiere: «Sie halten sich für das zivilisierteste Volk der Welt.» Wie eingebildet, so etwas überhaupt nur zu äussern. Diesen Titel beanspruchen im realen Leben  nämlich wir Menschen. […]

  4. […] Warhammer Fantasy unterscheidet Hochelfen und Waldelfen. Während die Waldelfen Wilde, Separatisten und Guerilla-Kämpfer sind und unverstanden bleiben, weil niemand viel Kontakt mit ihnen hat, sind die Hochelfen begnadete Händler und arrogant aufgrund ihrer Überlegenheit. Ich zitiere: «Sie halten sich für das zivilisierteste Volk der Welt.» Wie eingebildet, so etwas überhaupt nur zu äussern. Diesen Titel beanspruchen im realen Leben  nämlich wir Menschen. […]

  5. […] kam das Buch gerade sehr gelegen, weil ich einen Freund habe, der aus Zeitmangel nicht regelmässig Warhammer Fantasy Rollenspiel mit uns spielen kann. Einem One-shot hie und da ist er aber nicht abgeneigt. Regelmässig habe ich […]

  6. Avatar von Björn

    Moin Murphy,
    schön geschrieben! Ja, das Warhammer Fantasy Rollenspiel, besonders in der vierten Edition, ist auch mein Liebling geworden. Da ich schon sehr lange dabei bin, war für mich wichtig, wie das Regelwerk sich im Gegensatz zu den anderen Editionen verändert hat. Ich wurde nicht enttäuscht. Schon die englische Ausgabe war toll, so freuten meine Frau und ich uns noch mehr, als wir das Lektorat für die bis jetzt erschienenen deutschen Bücher übernehmen durften. Warhammer bietet so viel mehr als nur Hack´n-Slay. Man kann die Welt auf mannigfaltige Weisen spielen und erleben.

    Mit phantastischem Gruß aus dem echten Norden

    Björn

  7. […] bin voreingenommen – ja, fast ein wenig verliebt in die Welt von Warhammer Fantasy und in das zugehörige Rollenspiel. Das Einsteigerset hat diese Liebe entfacht und seither brennt […]

  8. […] fands wundervoll, dass schon die englische Ausgabe Mausritter hiess. Allerdings habe ich durch Warhammer Fantasy Role-play deutsche Begriffe im englischen Kontext auch lieben gelernt. Das gibt so einen bestimmten Touch. […]

  9. […] -Settings haben es bei mir nicht leicht. Der Slot ist schon mit den üblichen Verdächtigen namens Warhammer, DSA und DnD gefüllt. Ich kann ja nicht alles kennen, mögen und spielen. Aber Dragonbane, […]

  10. […] in der Geschichte geschehen, abgesehen davon, was die Charaktere tun; eine Technik, die auch bei Warhammer Fantasy zu grandiosen Abenteuern […]

  11. […] D&D ständig begleite und ich noch niemanden gefunden habe, die/der mit mir die Normalos von Warhammer Fantasy Role-play spielen will. Leider. Bestes Setting […]

  12. […] Ich liebe Warhammer Fantasy als Setting über alles, doch die Regeln irgendwie nicht. Sie sind kompliziert, schwerfällig, es gibt zig optionale Regeln. Sie machen nicht wirklich Spass. Sagen wir einfach, die Regeln stehen im krassen Kontrast zur Welt, zum Witz, zu den wundervollen Abenteuern von WFRP 4e. […]

  13. […] hast für Call of Cthulhu, Dungeons & Dragons und Warhammer gearbeitet, was für mich Grund genug ist, ein noch größerer Fan deiner Arbeit zu sein, als ich […]

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