Humblewood wurde aus dem englischen Original von Hitpoint Press zur deutschen Ausgabe von Pegasus Spiele. Dabei wurde es vom Kampagnensettingbuch zu einer Kampagnensettingbox!
Ich gestehe, ich bin ein Fan von Fabeln. Das sind wir, glaube ich, fast alle. Schliesslich stecken uns Fabeln schon seit über viertausend Jahren in den Knochen. Fabeln spiegeln uns wider, jedoch mit Abstand. Es zeigt jeweils exemplarisch, was in der Welt gut läuft und was nicht; wie manch ein Menschenschlag ist und welche Aktionen welche Reaktionen provozieren. Genau so ist Humblewood – und das ist grossartig.
Humblewood?
Humblewood, auf Deutsch am ehesten «Bescheidenwald», ist bescheiden und spielt im Wald. Die Welt ist übersichtlich, die Protagonist*innen sind klein und süss. Nur die Probleme, die sind unbescheiden.
In Humblewood, einer kleinen und überschaubaren Welt mit Ebenen, Wäldern, Sümpfen, Städten und dem Meer gibt es zwei Völker. Das Bodenfolk, Humblefolk genannt, das aus Igeln, Waschbären, Füchsen, Rehen und Mäusen besteht und das Birdfolk, welches aus Raben, Tauben, Hühnern, Eulen und Falken besteht. Das Humblefolk ist im warsten Sinne des Wortes auf dem Boden geblieben. Es stellt das Volk, die Bauern, das Proletariat dar. Die Vögel jedoch sind abgehoben, Magistraten, Regierung und Adel. Was daraus entsteht, wenn die Welt aus den Fugen gerät, kann in den Geschichtsbüchern der echten Welt nachgelesen werden.
Das Tolle an Humblewood: es ist eine enorm vereinfachte Miniaturausgabe der echten Welt und Gesellschaft, so wie die Charaktere Miniaturausgaben von echten Menschen sind.
Das ist Humblewood
Humblewood ist Low-level-DnD. Es ist wie Mausritter, aber nicht so OSR. Es ist sozialkritisch, geradlinig und abwechslungsreich. Ja, es ist nicht die Neuerfindung des Rollenspiels und das will es auch gar nicht sein. Was es ist: ein wundervolles, knuffiges, nicht lächerliches, spannendes und sich steigerndes Abenteuer in einem eigenen Setting. Es hat nicht zu wenig und nicht zu viele Informationen drin. Es kann viel, aber will nicht zu viel. Es ist eines meiner drei Highlights des Jahres 2022, damals noch in Englisch.
Ja, ich habe das englische Buch von vorne bis hinten durchgespielt. Das war ziemlich herausfordernd, obwohl mein Englisch sich sehen lassen kann. Denn meine beiden Spieler waren keine englischsprechenden Gen-Z-ler, sondern zwei abenteuerlustige Zwölfjährige, die die vorgesehene Story gekonnt um ihre eigenen Downtime-Ideen ergänzten.
Humblewood auf Deutsch
Ich liebe es, wenn zwei Sachen, die ich mag, zusammentreffen. So wie Pegasus und «Orkenspalter und der Mythos» und jetzt eben Pegasus und Humblewood. Was richtig rockt, ist die Aufmachung der deutschen Version. Es ist nicht nur das Buch, sondern das Buch und die Karten und die Pappaufsteller in einer richtigen Brettspielkiste. Und das zu einem Preis von rund 60 Euro.
Wo bekommt man schon ein eigenständiges Setting, eine Kampagne und die Ausrüstung für den Tabletop-Teil auf einen Knall für so wenige Pesos?
Schwierige Übersetzung
Die meisten Namen sind englisch geblieben, die Eigennamen, Ortsnamen und Nachnamen sind allerdings eingedeutscht worden und das ist bei Humblewood mal gar nicht so einfach. Ich habe schon ganze Forenthreads gelesen, in denen Deutschsprachige darüber philosophierten, welche Übersetzung dem Gefühl des Originals wohl am nächsten kommt. Ich selber habe mich daran versucht und bin teils gescheitert. Die Übersetzer*innen, die Humblewood effektiv übersetzt haben, taten wirklich einen Bärendienst. Trotzdem gibt es ein paar Stolperer. Und die kommen jetzt…
Übersetzte Ungereimtheiten
Ich bin mächtig froh, hat man keine deutschen Entsprechungen für Luma, Jerbeen, Mapach und Vulpin gesucht, sondern ist beim Original geblieben. Warum man den Begriff Humblefolk in Bodenschar und Birdfolk in Vogelschar umgewandelt hat, ist mir ein Rätsel. Bodenvolk und Vogelvolk liegen doch auf der Hand? Auch warum «Bandits» mit «Desperados» und nicht mit «Banditen» übersetzt wurde, ist mir ein Rätsel. Warum «Dieb» mit «Langfinger» übersetzt wird auch. Odwald Ebonhart wird zu Oswald Schwarzhirsch. Ähm, tja.
Das Dörfchen Winnowing Reach heisst jetzt Kap Worfelsporn. Wieso Kap? Gemäss Karte liegt das Dorf nicht einmal am Meer? Offensichtliche Übersetzungen wurden, abgesehen von den genannten Banditen, aber zum Glück so gemacht, wie erwartet. So heisst Alderheart jetzt Erlenherz, was genau richtig ist. Und sich auch richtig anfühlt.
Einsteigerfreundlich
Es ist ideal für Menschen, die mit Rollenspiel anfangen möchten, weil es nicht verkopft, nicht komplex, sondern überschaubar ist. Es hat nicht tausend Zauber und beginnt nicht auf Level 15. Der Wermutstropfen: es basiert auf D&D. Nicht falsch verstehen! Ich mag Dungeons & Dragons. Aber das Regelwerk kommt leider nicht mitgeliefert, wird einem nicht erklärt. Humblewood ist «nur» Settingband und Minikampagne. Das Spiel muss man abseits davon lernen und verstehen.
Es ist ideal, um es mit Kindern zu spielen. Weil die Story leicht verständlich ist, die Charakterkonzepte bekannt und es gibt eine Moral, so wie das eine Fabel nun einmal haben soll.
Alles drin
In der riesigen Wunderkiste befinden sich ein Kartendeck, das 72 Referenzkarten enthält, mit Artefakten, Waffen, NSC und Monster drauf. Dazu sechs Umgebungskarten, die dem englischen Original eindeutig fehlten, da verbrachte ich viel Zeit mit eigens gezeichneten Karten und Ausdrucken. Wohlgemerkt sechs Karten, die aber vorne und hinten bedruckt sind. Und es gibt satte 74 Kartonaufsteller mit 20 Plastikfüssen, für auf die Maps. Und natürlich das Kampagnen- und Settingbuch!
Die deutsche Ausgabe hat einen matten Einband und ist ein kleines Mü grösser als das glänzende, englische Buch. Auch hat das deutsche Buch ein Lesebändchen gekriegt, das dem Original fehlt.
Diese Kampagne als reines Buch war schon richtig, richtig cool. Hätten wir diese ganzen Materialien zum Spielen schon gehabt, wäre das eine noch viel grossartigere Erfahrung geworden. Ich rechne es Pegasus Spiele also sehr hoch an, dass sie nicht faul das fertige Buch genommen und die englischen Texte durch deutsche Texte ausgetauscht haben. Die haben die Settingbox genommen, sie eingedeutscht und günstiger gemacht. Da kriegst du fett Mehrwert für dein Geld, denn die Box von Hit Point Press kostet rund USD 80.-! Wer das englische Original nicht schon gespielt hat, der sollte sich diese Kiste holen.
Klotzen statt kleckern
Ich bin ein grosser Fan davon, wenn ein Verlag nicht geizt, sondern klotzt. Mehrwert generieren heisst die Devise. Wenn das Ding Goldprägedruck und Leseband hat, dann ist mir das so viel mehr meines Ersparten wert, als wenn es ein dünnes, geheftetes Heftchen ist, bei dem möglichst wenig in Farbe gedruckt wurde. Ich mag Wertigkeit und die lasse ich mich etwas kosten. Schliesslich bin ich Leiter, Spieler, Sammler, Aficionado und das ist mir etwas wert.
Fazit
Humblewood ist und bleibt für mich ein Rollenspiel-Highlight, weil es gut ist, weil es schön ist und einfach stimmig. Ja, man muss das Setting mögen und wer krasse Drachenblut-Assassinen spielen will, dem ist das vielleicht zu niedlich, allen anderen DnD-lern bietet das hier die richtige Abwechslung mit bekannten Regeln. Jeder der die D&D-5e-Regeln kann und offen für mehr ist, als High Fantasy à la Critical Role, muss das Ding haben. Ich vergebe nie Punkte, aber Humblewood von Pegasus bekommt neuneinhalb von zehn.
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