Die Nadelmann-Expedition oder «Gekommen, um zu sterben». Dieses Solo-Abenteuer ist eigen, aber nicht über alle Zweifel erhaben.
Ich bin im Urlaub, sitze in Schweden auf dem Campingplatz bei 20 Grad und eiskaltem Wind vor dem Camper am Meer und friere an den Fingern. Auf dem Kopf eine Mütze, die ich einst in Island kaufte. Soweit passt alles gut zu diesem Solo-Abenteuer. Es heisst «Allein gegen den Frost», was ein etwas seltsamer Name ist und nicht so gut funktioniert, wie «Allein gegen die Dunkelheit» oder «Alone Against the Flames» (kostenloser Download bei Chaosium). Im Buch selbst steht, dass das Abenteuer schon alt ist und früher einmal «Alone Against the Wendigo» hiess, was mit den rechtmässigen Einwohnern Amerikas zu tun hat und aus politischer Korrektheit geändert wurde. In eben dieses «Allein gegen den Frost».
Frostige Expedition
Aufgrund des Titels erwarte ich eine Art Arktis- oder Antarktis-Expedition. Doch es geht in die kanadische Wildnis, ganz ohne Eis und Schnee. Ein Expeditionsabenteuer? Das ist so sehr Cthulhu, wie es sein kann. Ich mag Expeditionen. Ich bin zu weich, um echte zu wagen, aber hart genug, um sie mir auszumalen. Ich spiele wieder mit generischer Cthulhu-Musik, was den Effekt hat, schön gruselig zu sein. Allerdings manchmal an den falschen Stellen oder an den richtigen Stellen zu wenig.
Solo-Abenteuer in der Gruppe
Das Abenteuer ist ein Solo-Spiel, ohne Spielleitung und Mitspielende, aber man geht nicht allein auf Expedition. Alleine diesen Umstand finde ich schon sehr erquickend. Als Professor nimmt man ein paar seiner Studierenden mit (in den Untergang). Herdenschutz ist immer gut. Je mehr in der Herde sind, desto kleiner die Chance, dass das Raubtier gerade mich erwischt. Auch eine Führerin kommt mit, die als Ortskennerin und schlechtes Gewissen fungiert.
Eins, zwei, drei, und du bist raus
Nach einer Stunde bin ich schon zum ersten Mal durch mit Vorbereitung und Spiel. Keine Ahnung, was ich hätte tun sollen. Man fährt hinein und wieder hinaus, aus Angst, die falsche Entscheidung zu treffen. So, wie man es auch in der Realität, ohne Kenntnis des Cthulhu-Mythos, machen würde. Sobald etwas seltsam erscheint, besser Rückzug als Tod.
Dies führt allerdings zu keinem Ergebnis. Ich habe nichts Schlaues gefunden, eine Begleitperson verloren, ich wurde dafür nicht verurteilt und meine Reputation hat nicht gelitten. Ich hatte jedoch auch keine Forschung vorzuweisen. Denn das ist das eigentliche Ziel des Solo-Abenteuers. Leider wird einem das nicht vorher gesagt, oder ich habe es überlesen. Das Ziel ist, möglichst viel Forschungsergebnisse mitzubringen, ohne ins Gras zu beissen. Jetzt könnte man sagen: das ist doch das Ziel einer jeden Expedition! Stimmt eigentlich, war mir in diesem Cthulhu-Fall nur nicht so bewusst.
Mein erstes Fazit
Eine sehr tolle Anlage, aber ein sehr lahmes Abenteuer. Denn wenn man nur reingeht, um zu sterben oder wieder rauszugehen, dann ist das kein grossartiges Abenteuer. Was ich positiv hervorheben kann ist die dicke des Bandes, die Aufmachung, die Illustrationen. Das alles ist richtig gut gemacht und es gibt reichlich Material. Die Begleiterinnen und Begleiter sind als vollständige Charakterbögen mit Bild drin. Die Figur, die man spielt, kann wahlweise als Dr. Lauren C. Nadelmann oder Dr. Lawrence C. Nadelmann gespielt werden, also weiblich oder männlich. Es gibt ganz viele W10-Proben, die ich mich von Cthulhu so gar nicht gewohnt bin. Zum Beispiel: ist das Ergebnis eine gerade Zahl, gelingt es dir, ist es ungerade…
Es gibt ein nettes Outro, wo erwürfelt wird, ob die Forschungsergebnisse oder Verluste der Begleitpersonen Folgen haben. Was mir an dem Abenteuer aber gar nicht gefallen will, ist diese Bumm-und-du-bist-tot-Mentalität. Ich mag lieber Geschichten, als Mal-sehen-wo-du-falsch-abbiegst und Viel-Glück-beim-nächsten-Versuch.
Nächster Versuch
Ungefähr zwei Wochen später, versuche ich mich erneut als Dr. Nadelmann. Ich bin unterdessen südlicher, immer noch in Schweden, aber diesmal bei 26 Grad, Sonnenschein und in kurzer Hose. Diesmal im Bewusstsein, dass ich hier bin, um in diesem Solo-Abenteuer Expeditionsergebnisse zu produzieren oder beim Versuch zu sterben. Dr. Nadelmann endet deshalb unschön als Inhalt eines Einmachglases. Beim nächsten Versuch ziehe ich wieder zu früh den Schwanz ein, verliere einen Expeditionsteilnehmer und meine Reputation als Professor. Alles wie gehabt.
Was gut ist
Was mir an Allein gegen den Frost gefällt, ist die Möglichkeit es ganz oft zu spielen und ganz viele alternative Enden auszuloten. Es gibt scheinbar sehr viele Dinge zu erforschen und viele Arten den Löffel abzugeben. Darum ist es sein Geld wert. Es muss nicht nach einmaligem Spielen im Schrank verschwinden, weil man den Plot schon kennt.
Was schlecht ist
Es gibt keinen Plot. Oder ich habe ihn nicht oder noch nicht gefunden. Es gibt nur Entscheidungen und es ist nicht absehbar, ob sie gut oder schlecht sind. Aufbrechen, ausprobieren, reüssieren oder draufgehen. Darum ist das Spielerlebnis zwar sehr aufregend, aber halt vom Zufall abhängig. Bereue ich den Kauf? Nein. Würde ich es wieder kaufen? Würfle 1W10. Bei einer geraden Zahl ist es ein Nein, bei einer ungeraden auch.
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