Eindrucksbestätigung von The One Ring mit dem Starterset. Es ist schön, es ist einladend und ich kann es einfach nicht spielen.
Ich hatte mir das The-One-Ring-2e-Regelwerk gekauft. Einfach weil ich es so schön fand. Ich hatte nicht vor es zu spielen. Nun schaue ich mir gerade das Starterset von TOR an und einige Eindrücke bestätigen sich.
Es handelt sich um das englischsprachige Starterset und ich habe es «nur» in digitaler Form als PDF vorliegen. Es hat also schon einmal keine Würfel dabei. Nevermind.
Es ist Herr der Ringe
Gespielt wird in der Zeit zwischen Der Hobbit und Der Herr der Ringe, die etwa sechzig Jahre umfasst. Dass die vorgefertigten Charaktere fast nur aus Hobbits besteht, finde ich passend, da wir mit einem Starterset klein anfangen. Wenig Regeln, Einstieg, kleine Welt, kleine Chars. Ausserdem: Wer waren die Protagonisten in Der Hobbit? Und wer in Lord of the Rings? Eben.
Beide Bücher (Hobbit und LotR) beginnen im Auenland und enden dort. Von hier aus ziehen wir in die grosse, weite Welt und erleben Ungeheures. Darum lullt mich die Atmosphäre sofort ein. Ich brauche keine Aufwärmphase und keinen Anlauf, die Welt ist mir so vertraut, dass sie funktioniert. Das riesige Plus: dieses Heimkommengefühl wird durch das Layout und die Illustrationen wunderbar abgefedert und ergänzt. Das ist kein Zufall, sondern hohe Schule.
Es ist wunderschön
Die Pergamentseiten, die hennafarbenen Schnörkel, die Bleistiftzeichnungen – ein Meisterwerk! Es ist so schlicht und gleichzeitig so ausgewogen. Die Kunst ist ja bekanntlich, es so zu reduzieren, dass nichts mehr weggelassen werden kann und nicht, es so anzufüllen, dass nichts mehr hinzugefügt werden kann. Ich will nicht sagen, dass es perfekt ist, aber es ist verdammt gut gemacht.
Natürlich werden hier manche Illustrationen aus dem Originalregelwerk wiederverwendet. Warum auch nicht? Wie Gandalf in die Hobbithöhle stürmt, gerne immer wieder. Die Landkarten sind nicht wie üblich schwarz-weiss und mit Tusche gefertigt, sondern gefärbt und mit teils eigenwilliger Beschriftung (Eriador) versehen, aber konzeptionell wundervoll.
Es ist schwergewichtig
Die vorgenerierten Charaktere sind alles Hobbits und ein Zwerg. Es werden einem Brandybocks, Beutlins und Sackheim-Beutlins angeboten. Schon als die berühmt-berüchtigt Lobelia Sackheim-Beutlin als Charakter erscheint, spüre ich das Gewicht, aber als schliesslich die letzte Figur bei den Fertigcharakteren erscheint, da weiss ich, das kann ich nicht. Da ist Bilbo Beutlin.
Diese Hobbits haben Geschichte geschrieben. Eine Geschichte. Von einem Ring. Ich spüre die Schwere und die Aufgabe, eine Geschichte zu erzählen, die dieser Charaktere halbwegs würdig ist. Wenn ich Lützel Hinkefuss spiele, kein Problem. Der kann lustig sein, alles vermasseln oder reüssieren, es spielt alles keine Rolle. Aber wenn ich Bilbo Beutlin spiele, dann muss das sitzen.
Dieses Gefühl hatte ich bei The One Ring immer schon; jetzt noch mehr. Ich habe Bedenken, etwas Heiliges zu entweihen. Ich würde lieber Napoleon, Asterix oder Indiana Jones spielen – kein Problem. Aber die Geschichte von Herr der Ringe mit schlechten Würfelwürfen und Belanglosigkeiten zu zerspielen? Das bringe ich nicht übers Herz.
Es ist füllig
War Gear Cards beschreiben die Stats jeder Waffe, die Stance and Journey Cards helfen zu bestimmen, wo wer im Kampf steht. Fernkampf oder Nahkampf? Im Starterset werden die Regeln reduziert gehandhabt, aber es wird schon Lust auf mehr gemacht und clever auf das Kernregelwerk verwiesen.
Acht vorgefertigte Charaktere, alles Hobbits mit einer Ausnahme (Zwerg), und ganze fünf Abenteuer auf 36 Seiten sind im Starterset enthalten. Dann gibt es eine riesige Abhandlung a.k.a. Hintergrundbändchen zum Auenland. Im analogen Set gibt es auch Würfel. Die habe ich hier leider nicht. Das Set ist füllig, aber nicht üppig.
Es ist anders
Ich habe noch keine Rezension zu The One Ring gemacht. Darum erwähne ich hier die Basics zum Gameplay. Bei TOR heisst die Spielleitung «Loremaster», das verrät vielleicht schon, worauf bei diesem Spiel Wert gelegt wird.
Am Anfang wird einem schön erklärt, wie Rollenspiel funktioniert, welche Rollen es zu füllen gibt (Spielende, Loremaster) und auch, dass eine Spielsitzung aus verschiedenen Szenen besteht.
W6 und W12
Um TOR zu spielen, werden sechs Sechserwürfel und zwei Zwölferwürfel benötigt. Die Sechserwürfel werden Erfolgswürfel, die Zwölferwürfel werden Leistungswürfel genannt. Frei von mir aus dem Englischen übersetzt. Jeder Charakter hat drei Attribute und 18 Skills.
Damit ein Würfelwurf gelingt, muss der Attributwert übertroffen werden. Wie viele Würfel dafür eingesetzt werden dürfen, bestimmt die Anzahl ausgemalter Rauten auf dem Charakterblatt. Es wird immer ein Leistungswürfel und so viele Erfolgswürfel wie angegeben verwendet.
Ein Beispiel
Also würfle auf Aufmerksamkeit. Das zur Fertigkeit Aufmerksamkeit gehörende Attribut ist Stärke und beträgt in diesem Fall 15. Du würfelst einen Leistungswürfel (W12) und zwei Erfolgswürfel (W6), weil zwei Rauten bei der Fertigkeit Aufmerksamkeit auf deinem Charakterblatt ausgemalt sind. Der W12 zeigt eine 8, die beiden W6 zeigen 5 und 3. Du hast den Wert von 15 mit einem Punkt übertroffen, der Aufmerksamkeitswurf ist ein Erfolg!
Gandalf und Sauron
Wer die geforderte Zahl erreicht und auch noch eine Sechs auf mindestens einem der Erfolgswürfel hat, schafft einen kritischen Erfolg. Auf dem W12 gibt es Zahlen von 1 bis 10, eine Gandalfrune und eine Sauronrune. Das kann auch mit einem handelsüblichen W12 abgehandelt werden. Also zum Beispiel 11 ist Sauron, 12 ist Gandalf oder umgekehrt. Gandalf ist ein automatischer, kritischer Erfolg, egal ob die nötige Punktzahl beim Würfeln erreicht wurde und Sauron ist ein kritischer Patzer. Wer patzt muss den Leistungswürfel mit einer Null zählen.
Fazit
Ich liebe das Buch «Der Herr der Ringe», weil es so geduldig ist. Es ist so erdig und langsam und freundlich. Wie ein alter Grossvater, der seinem Enkel eine Gutenachtgeschichte erzählt. Ohne es gespielt zu haben, habe ich trotzdem Gefallen am System gefunden, da es weder zu knapp noch überladen ist. Die Welt liebe ich ohnehin, die Illustrationen sind unglaublich schön, obwohl sie so schlicht erscheinen, was eine hohe Kunst ist. Es spricht wenig dafür, dieses wundervolle Spiel nicht zu spielen. Ausser dies…
Ohne jetzt blasphemisch werden zu wollen. Es kommt mir bei The One Ring manchmal vor, als würde ich ein paar zusätzliche Geschichten als Ergänzung zur Bibel spielen wollen. Die Geschichte wurde nun einmal niedergeschrieben und alles was da ist, ist alles, was da ist. Mehr gibt es nicht zu sagen. Dass ich nun ein paar Figuren nehme und die Historie nach meinem Gutdünken ergänze, das schaffe ich einfach nicht.
Nichtsdestotrotz ist TOR ein wunderbares Rollenspiel, das stimmig und mit viel Liebe gemacht ist. Und es wäre ein Wunder, hätte niemand die Genesis aller Fantasy in ein Rollenspiel gegossen. Nur, dass ich es lieber ins Regal stelle, als es zu spielen.
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