Twilight Sparkle, Riffin, ein Mausritter und eine Äventyrerin

Rollenspiel für Kinder, Teil 1

Rollenspiel für Kinder unterliegt anderen Anforderungen, als Rollenspiel für Erwachsene. Doch so manches Kinderrollenspiel erfreut auch mich und selbst OSR kann mit ein paar wenigen Handgriffen kindertauglich werden.

Ich habe vier Rollenspiele mit Kindern gespielt, die ich auch passend für Kinder hielt und immer noch halte. Sie sind allerdings sehr unterschiedlich in Gefühl, System und Hintergrundwelt. Die vier Spiele sind Humblewood für D&D 5e, Äventyr, Tails of Equestria und Mausritter. Alle vier Spiele habe ich nicht ausgiebig gespielt und kann deshalb kein abschliessendes Urteil fällen. Ich bin in keinem dieser Spiele ein Experte; aber ich bin ein denkender, fühlender Mensch, Vater und Rollenspieler und kann aus dieser Perspektive meine Eindrücke kundtun.

Kinderrollenspiel Teil 1

Dies heisst Teil 1, weil es zu diesem Thema mehr zu sagen gibt, als dieser Artikel hier leisten kann. Ich schreibe ihn aus reiner Erfahrung und nicht aus Recherche oder weil ich mich dezidiert mit dem Thema auseinandersetze.

Googlest du Rollenspiel und Kinder in einem Such-String, dann kommen hundert pädagogische und therapeutische Treffer. Logisch. Wenn Kinder Verkäufer, Mutter oder Ärztin spielen (die Klassiker), dann ist das Rollenspiel. Und diese Art von Rollenspiel gab es schon lange, bevor Dave Arneson und Gary Gygax mit Dungeons & Dragons um die Ecke kamen.

Hier geht es um Pen-and-paper-Rollenspiele, die ich für geeignet halte, sie mit Kindern zu spielen. Und zwar Kinder, die nicht hinter dem Mond leben und ein wenig Pop-Kultur bereits in der Muttermilch hatten, aber nicht schon im Alter von acht Jahren Deadpool 2 im Kino sehen durften.

Altersfreigabe

Das angemessene Alter, um ein bestimmtes Rollenspiel zu spielen, ist immer abhängig von Umfeld, Wesen und Sozialisation. Während die einen keine Computerspiele spielen und zu Hause keinen Fernseher hängen haben, gucken die anderen schon Saw und spielen blutige Ego-Shooter.

Äventyr

Äventyr (Abenteuer) nennt sich das familienfreundliche Rollenspiel und stammt aus Schweden. Nein, es stammt nicht von Astrid Lindgren, könnte es aber fast. Die Welt basiert auf dem, was man aus Märchen so kennt, gemischt mit Fantasy-Kram. Die Mechanik ist angenehm einfach, zwei W10 tun so ziemlich alles, was getan werden muss.

Ich gestehe, ich kenne erst den Schnellstarter und das Starterset, habe erst ein halbes Abenteuer geleitet, aber ich mag diesen einfachen, geradlinigen Stil, diese Welt, die nicht das Studium von Hintergrundbänden voraussetzt und auch die simple Würfelmechanik.

Ich habe das Ding ohne Vorbereitung oder Vorwissen gespielt. Einfach heruntergeladen, ein paar Sachen ausgedruckt und, ohne es vorher auch nur einmal gelesen zu haben, losgespielt und es funktioniert wunderbar. Das Spiel kann ich für eine unkomplizierte Rollenspielerfahrung mit Kindern wärmstens empfehlen.

Offiziell ist Äventyr ab einem Alter von fünf Jahren geeignet. Da es sich als ein Märchen-Rollenspiel sieht, ist bestimmt das Inhaltliche und die Gewaltlosigkeit eine gute Voraussetzung dafür. Je nachdem, wie man Dämonen, fiese Zauberinnen und Invasionen so darstellt, kann selbst dieses Spiel zu Albträumen bei zartbesaiteten Kindern führen.

Beispiel: Die Netflix-Serie «The Letter for the King» ist auch ab zehn Jahre freigegeben und sie ist auch nicht brutal in der Darstellung, weil Gewalt nicht blutig und von Nahem gezeigt wird. Aber düster ist es manchmal schon. Und nachdem im abgelegenen Kloster, in dem nur Kriminelle und Massenmörder wohnen, die hoffentlich bekehrt wurden, der psychopathische Neuzugang sich von den Ketten befreit hat und im Haus herumschleicht, während draussen ein Gewittersturm tobt, kann es schon recht erschreckend sein, wenn dieser Psycho plötzlich uneingeladen im Zimmer steht. Beim zwölfjährigen Nachwuchs hat die Szene immerhin so viel Eindruck hinterlassen, dass seine Knie nachgaben, als ich nachts unerwartet in seinem Türrahmen stand. Just saying.

Empfehlen würde ich Äventyr ab sieben Jahre. Sobald die Kinder ein paar Märchen kennen, lesen und schreiben können, macht das richtig viel Spass. Acht von zehn Punkten.

Tails of Equestria

Zu Tails of Equestria verbindet mich eine Hassliebe. Mein Artikel zum Starterset wird erst noch erscheinen. Ich fragte mich immer, wie erwachsene Männer sich das freiwillig antun können, jetzt tat ich es mir selbst an. Eine sehr junge Tochter, mit der ich Rollenspiele spielen wollte und Michael Mingers haben mich dazu gebracht.

Ich mag die klebrige, einhornige Superheldenwelt. Eine Mischung aus Powerpuff Girls und Glücksbärchis. Etwas Mädchen-Fantasy und ein bisschen schräg manchmal. Was ich aber überhaupt nicht mag, ist das Abenteuer des Einsteigersets. Obwohl es nett gemeint ist, taugt es wenig. Rezension folgt.

Die Welt ist gar nicht so einfach zu beschreiben und zu ergänzen. Es gibt viele Orte und Kreaturen. Ich kann es noch nicht richtig einschätzen, aber ich habe so ein dumpfes DSA-Gefühl, das mich davon abhält, wild drauflos zu fantasieren.

Das My-Little-Pony-Rollenspiel kommt komplett ohne Gewalt aus und fördert mit den Freundschaftssteinen, die man auch für andere einsetzen kann, das soziale Sein und die Nächstenliebe; Werte, die man seinen Kindern gerne mitgibt. Friendship is Magic. Und Goblins metzeln können sie dann noch früh genug, wenn es unbedingt sein muss.

Ich habe es mit drei Mädchen im Alter von sieben bis neun Jahren gespielt und es ist definitiv einfach und regelleicht genug, um tipptopp zu funktionieren. Dass es um Ponys geht und es dazu TV-Shows gibt, hilft, sich schnell in die Welt hineinzudenken, für die Spielleitung, wie auch für die Kids. Sechs von zehn Punkten. Rezension folgt.

Humblewood

Für Humblewood habe ich viel Liebe übrig. Ein wunderhübsches Buch, eine tolle Idee, D&D 5e-Regeln, knuffig, eine sensationelle Mini-Kampagne mit sozialkritischem Background, was will man mehr?

Dieses Spiel würde ich aber unbedingt erst mit Kindern (oder Jugendlichen) zwischen elf und dreizehn Jahren spielen. Die wirklich, wirklich umfangreichen DnD-Regeln, die moralischen Entscheidungen, die getroffen werden müssen, die ganzen Kämpfe… fordernd.

Und selbst dann würde ich so manche Schlacht und einige hässliche Details einfach weglassen und unter den Tisch fallen lassen. Denn Humblewood ist nicht per se für Kinder gedacht, sondern funktioniert nur ebenso gut für diese Zielgruppe. Ausserdem können sich nicht alle hartgesottenen Murder-Hobo-Buttkickers auf putzige Waldkäuze als Charakter einlassen. Als Vorstufe für junge Spielende ist es aber ideal.

Teil zwei der Humblewood-Reihe, das Abenteuerbuch «Humblewood Tales» ist dann noch ein Tick düsterer und auch die höheren Level der Charaktere erfordern schon ein wenig Erfahrung im Anleiten der Kämpfer und Magier. Nichts für kleine Kinder, aber neun von zehn Punkten für dieses Schmuckstück.

Mausritter

Von Mausritter nahm ich anfangs nur die halben Regeln der englischen Ausgabe und das Setting, dachte mir eine kleine Welt mit Dorf, Scheune, Wald und Bach aus und legte Homebrew-Style los mit den Kids. Die Quests waren leicht und bekömmlich, die Welt anschaulich, verständlich und schön. «Unten am Fluss» lässt grüssen.

Als ich dann Jahre später mit unserem Älteren, der bald zwölf wird, das Abenteuer «Honig im Gebälk» aus der Starterbox von System Matters improvisierte, bemerkte ich den dunklen Ton (dark tone), der da plötzlich mitschwang. Das Stinktier, der als Drachen-Pendant funktionierte, die drogenabhängige, degenerierte und teils mutierte Mäusesekte… Puh! Kein einfacher Stoff für eine spontane Samstagnachmittag-Eins-zu-eins-Session.

Die einfachen Regeln machen Mausritter zu einem Kinderspiel. Die tödlichen OSR-Regeln und das eigentliche Setting abseits von «Wir sind süsse Mäuschen» hat mit Kinderrollenspiel allerdings nur wenig zu tun.

Auch hier empfehle ich Mausritter eher für neueinsteigende Jugendliche oder ältere Kinder. Als Einstiegsdroge ins Rollenspiel sozusagen. Kleine Kinder könnten schnell überfordert sein mit mittelalterlichen Massenkämpfen und düsteren Kulten. Mausritter bekommt von mir euphorische acht von zehn Punkten.

Ein Kinderspiel

Das Bedürfnis von Kindern ist in Sachen Rollenspiel nicht so weit entfernt, von dem was ich selbst im Rollenspiel mag. Kinder brauchen eine stereotype Welt, viel Geschichte, spannende NSC, Knobelaufgaben und einfache Regeln. Sie brauchen kein Blut, kein Crunch und keine Enzyklopädien füllende Lore, die sie überfordert.

Äventyr und Tails of Equestria wurden für Kids gemacht, Humblewood und Mausritter nicht. Empfehlen kann ich Äventyr für kleine Kids. Für wenig Geld gibt es einen gelungenen, spannenden Einstieg, der sofort losgeht. Für ältere Kids empfehle ich Humblewood mit erleichterten Regeln und einem aufgehellten Spielgefühl.

Am Ende sollen Kinder die Freude am Spiel und den Zauber einer lustigen Storytelling-Runde mit ihren Freunden erleben. Damit die nächste Generation von Kopftheater-Künstlern sichergestellt ist.

Ich möchte erfahren, wenn es neue Artikel gibt!


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Kommentare

8 Antworten zu „Rollenspiel für Kinder, Teil 1“

  1. Avatar von Maik
    Maik

    Das passt ja wie die Faust aufs Auge, gerade gestern kam die neue Trashtalk-Folge zum gleichen Thema: https://dernerdigetrashtalk.podigee.io/122-kinderrollenspiele

  2. Avatar von rumpel
    rumpel

    Ich habe gute Erfahrungen mit selbst erdachten (eher märchenhaften) Abenteuern für DnD 5e gemacht. Um das Spiel für die Kinder zu vereinfachen, haben wir die Sidekick-Regeln aus Tasha für die Charaktere genutzt, die sind deutlich einfacher als vollwertige Charakterklassen.

    1. Avatar von Murphy
      Murphy

      Das klingt spannend und durchdacht! Gefällt mir. Danke für den Input!

  3. Avatar von Loruna

    Bzgl ToE kann ich dich sehr gut verstehen. Ich habe das Starterset mit meinen Nichten (damals 5 und 7) gespielt und fand es eher wie ein Soloabenteuer als ein gemeinsames Spielerlebnis. Die Mädels fanden es toll, weil sie My little Pony lieben und gerne etwas vorgelesen bekommen, aber einen Eindruck von Rollenspiel haben sie dadurch eher weniger bekommen. Ich als Spielleitung habe dadurch auch nicht wirklich einen Eindruck von den Regeln erhalten und so haben wir bis heute nicht weitergespielt. Schade eigentlich.

  4. Avatar von Frank
    Frank

    Ich habe gute Erfahrungen mit „So nicht Schurke!“ vom Uhrwerk Verlag gemacht. Funktioniert auch mit 7jährigen. Es reicht auch hier das günstige pdf.

  5. Avatar von TheLukio
    TheLukio

    „EduTale“ wird just an der Spiel Essen vorgestellt, das ist sicherlich auch interessant für Leute die sich mit dem Thema befassen. Ist wohl auch extra für den Einsatz im Unterricht bzw. mit SuS gestaltet worden.

  6. […] Aktuell habe ich vier kleine Runden, wovon zwei davon versuchen alle zwei Wochen zu spielen. Ich leite zweimal Cthulhu, einmal D&D Homebrew und einmal spiele ich als Spieler Midgard. Daneben leite ich ab und an online Tales from the Loop oder Cthulhu, teste ein neues System, zu dem ich eingeladen werde oder leite meinen Kindern ein Spiel. […]

  7. […] haben wenig «Cooles» an sich. Es sind märchenhafte Rollenspiele, Fabelwelten wie Humblewood, Kinderrollenspiele wie «Tales from Equestria» oder nicht tödliche Kindereien wie Tales from the Loop oder […]

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