Was heisst das, was soll das und warum ist es wichtig? Immersion ist für mich mitunter etwas vom Wichtigsten im Leben.
Nämlich sich einem Thema hinzugeben, sich einzufühlen, einzutauchen. Es geht darum Grenzen zerfliessen zu lassen und das ist doch in fast jeder Hinsicht gut.
Seit zehntausenden von Jahren erzählen sich Menschen Geschichten: zur Information, zur Bildung und zur Unterhaltung. Empathie, also Mitgefühl, ist ein vielzitiertes Schlagwort. Es geht darum, sich in eine Person, in eine Situation hineindenken zu können, diese Fähigkeit zu fördern, weil das die Welt zu einem sozialeren, gerechteren und mitfühlenderen Ort macht. Immersion kann diese Fähigkeit im Positiven wie im Negativen trainieren.
Was heisst Immersion beim Rollenspiel?
Beim Pen & Paper bedeutet Immersion, dass man Bilder in seinem Kopf erzeugt, sich hineinversetzt und das Geredete nicht nur sagt, sondern es sich vorstellt und erlebt. Manche Menschen wollen das und können das, andere wollen dies vielleicht gar nicht so sehr, brauchen das nicht oder sind dazu weniger fähig.
Ich kann mir gut vorstellen, dass es Menschen gibt, die Computerspiele so spielen: Ich sitze hier in meinem Stuhl, trinke eine Cola und spiele dieses Spiel. Ich bewege die Maus und steuere diese Figur, die so gar nichts mit mir zu tun hat durch eine nicht reale, computergenerierte Welt und drücke Knöpfe. Es ist einfach eine Tätigkeit und eine Challenge. Es gibt so gut wie keine Identifikation. Das ist okay und manchmal vielleicht sogar gesünder. Der Clou dabei ist, dass sich diese Personen zu jedem Zeitpunkt bewusst sind, wo sie sich in ihrem realen Leben gerade befinden und was sie da von aussen betrachtet tun.
Menschen, die Immersion beim Rollenspiel gut können und sie auch wollen, funktionieren anders. Sie denken sich in die Welt, fühlen sich in den Charakter und sind in diesem Moment woanders jemand anders. Natürlich hat das seine natürlichen Grenzen, aber das Erlebte geht in die Erinnerungen über und mischt sich mit dem in der realen Welt Erlebten. Auch im Rollenspiel kann man (virtuelle) Erfahrungen machen. Und genau deshalb sind Ego-Shooters gar nicht so unbedenklich, wie manche behaupten, was psychologisch relativ einfach belegbar ist, aber darum geht es hier und jetzt nicht.
Ein Beispiel
Ich spiele öfter online Rollenspiel, als am Tisch. Wegen der Immersion, die so für mich grösser ist, wegen der einfacheren Terminfindung und wegen einer Pandemie. Wenn ich spiele, brauche ich gute Tonqualität, einen ruhigen Raum, in dem ich mich wegschliessen und ganz für mich sein kann. Einen Ort, an dem ich nicht gestört werde. Ich schliesse die Vorhänge und sorge für gedämpftes Licht. Die nächsten drei Stunden bin ich in der Fantasie und dieser Welt, die ich erleben möchte.
Es gibt allerdings Menschen, die spielen in der offenen Küche, über Lautsprecher, statt mit Kopfhörern, während die Partnerin oder der Partner dabei zuhört und der Fernseher läuft. Sie stehen zwischendurch auf, gehen sich aus dem Kühlschrank das dritte Bier holen und nehmen den Computer mit auf den Balkon, um eine Zigarette zu rauchen. Jeder muss selbst entscheiden, was für ihn funktioniert und stimmt. Aber so könnte ich auf keinen Fall Pen & Paper spielen. Das würde bei mir weder funktionieren, noch Spass machen. Ich wäre gedanklich nicht involviert, würde den gedanklichen Raum für die Bilder und Situationen gar nicht haben. Das wäre für mich, wie einem Klassikkonzert beizuwohnen, während die Bauarbeiten im Konzertsaal weitergehen, mit Bohren, Klopfen, Hämmern und Sägen. Dann lass ich es lieber sein.
Immer schon Immersion
Bei mir spielt Immersion beim Lesen eines Buches, beim Schauen eines Filmes und beim Spielen eines Rollenspiels eine gewichtige Rolle. Okay, wenn ich Pacman spiele, gibt es keine Immersion. Wenn ich ein wissenschaftliches Magazin lese auch kaum. Wenn ich Schach spiele, gibt es null Immersion. Dann wird der CPU meines Gehirns für anderes blockiert und es ist mir egal, ob die Dame eine Dame oder ein anderer Klotz ist, der neun Punkte Wert hat. Aber wenn es um eine Geschichte geht, die mir zusagt, in der ich mich mit einem Charakter identifizieren kann, dann bin ich dort und lebe es. Und genau deshalb (so glaube ich) funktioniert Rollenspiel bei einigen Leuten und bei anderen nicht. Die Frage ist vielleicht: «Bist du ein Träumer oder stehst du mit beiden Beinen fest in der Realität?»
Bewusstsein oder bewusst sein
Für mich gibt es wenig Faszinierenderes, als das (menschliche) Bewusstsein. Wir sind nicht nur fähig, zu denken, sondern sogar uns dessen bewusst zu sein und unser Denken zu analysieren, zu beurteilen und anzupassen. Die Fähigkeit, Dinge zu erzählen und zu fühlen, die zu diesem Zeitpunkt und an diesem Ort keine Relevanz haben, hat höchstwahrscheinlich von allen uns bekannten Lebewesen nur der Mensch. Beispiele: Ich stelle mir vor, wie es wäre, auf den Mars zu fliegen. Du erzählst mir von einem fernen Land, das es nie gegeben hat. Wir drehen einen Film über eine Begebenheit, wie sie hätte sein können, wenn alles anders gelaufen wäre. Wie faszinierend ist das denn? Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass wir das in Schriftzeichen, gesprochener Sprache, Ton und Bildern erzeugen, codieren, decodieren, festhalten können. Einfach unglaublich! Darum geniesse ich so viel Immersion, wie es mir gesund und sinnvoll erscheint.
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