Cthulhu: Der Sänger von Dhol

Der Sänger von Dhol ist ein komisches Stück Abenteuer. Die Geschichte ist schräg, neblig und wirr. Und das macht gerade den Reiz dieses Abenteuers aus.

Der Sänger von Dhol ist zwanzig Jahre alt und stammt aus dem offiziellen Begleitmagazin «Cthulhoide Welten». Das Magazin ist lange schon eingestellt und die Ausgaben vergriffen. Doch ich, ich habe ein Originalexemplar ergattern können, in dem Der Sänger von Dhol drin ist. Ein Sammlerstück, dass ich mich kaum aufzuschlagen traue, weil es in so tadellosem Zustand ist.

Der Sänger kann als PDF bezogen werden und bald auch in einem Sammelband als Neuauflage. Wir haben es aus dem PDF heraus gespielt und es hat mich einiges an Energie gekostet. Wir spielten an einem Sonntagabend an einem Wohnzimmertisch. Zwei der drei Spielerinnen spielten zum allerersten Mal überhaupt ein Rollenspiel. Eine Spielerin und der eine Spieler sind keine Rollenspielneulinge, aber auch keine Cthulhu-Kenner. Das Regelwerk von Cthulhu ist einfach und schnell begriffen, stellte also kein Problem dar. Die Spielenden hatten sich alle vorher eingelesen und sich gegenseitig nichts verraten. Sie haben ihre Charaktere vorgängig gekannt und sie konsequent und glaubhaft gespielt.

Das Abenteuer vorbereiten

Aber kommen wir zum Eigentlichen, nämlich zum Abenteuer. Es ist meine Eigenheit, dass mich die Cthulhu-Szenarien ziemlich hineinziehen und mitnehmen. Ich werde zu dieser Tatsache in der Zukunft einen exklusiven Artikel verfassen. Denn was die Spielerinnen und Spieler fünf Stunden lang ertragen müssen, muss ich als Spielleiter drei- und vierfach erdulden. Denn ich muss die Geschichte lesen, verstehen und erzählen können. Vorzugsweise ohne Lücken und Logikfehler, plausibel und flüssig. Auf Fragen müssen Antworten kommen und sie sollen szenisch, realistisch und sinnvoll sein.

Ich muss die Charaktere kennen. Und das ist der Punkt, der beim Sänger von Dhol ebenfalls einschenkt. Die Spielleitung sollte die Charaktere nicht nur kennen, sondern auch ihre Beziehung zueinander. Denn Der Sänger von Dhol ist ein Beziehungsgeflecht. Eine Familie in den 1920ern, die auf der echt existierenden Nordseeinsel Pellworm ihre Schafe züchtet. Jeder Charakter hat dabei sein Kreuz zu tragen. Davon handelt und lebt dieses Cthulhu-Abenteuer; mehr noch, als von der eigentlichen Geschichte.

Ich habe zusätzlich Musik und Hintergrundgeräusche für die verschiedenen Szenen herausgesucht und geordnet und ich habe alle Charakterblätter, die Karte sowie alle Handouts (das sind eine Menge) ausgedruckt.

Die Geschichte

Diese hat es in sich. Vom grossen Kosmos bis ins kleinste Detail hineingezoomt, muss die Spielleitung nach Möglichkeit alles bereithalten. Es gibt eine weite Ebene, die viel Zeitspanne umfasst. Doch es gibt auch Geschehnisse, die jetzt gerade Bedeutung haben. Es gibt Datumsangaben und Tageszeiten, Wetter und bevorstehende Ereignisse. Und dann gibt es auch noch das, was den Hauptdarstellenden jetzt gerade widerfährt.

Die Handouts

Es gibt Handouts. Viele Handouts. Manche sagen, es seien zu viele Handouts. Und sie haben nicht unrecht. Ohne Probleme zu bekommen, könnte man die Hälfte weglassen und würde genau gleich ans Ziel gelangen, vielleicht sogar weniger Verwirrung stiften. Doch sind Handouts nicht gerade ein besonders schöner Teil an Cthulhu?

Altes Abenteuer

Das Abenteuer ist in einem langen, teils zähen Strom von Fliesstext verfasst. Es ist grossartig zu lesen, aber schwierig bis katastrophal zu leiten. Informationen sind überall verteilt. Einen Überblick zu gewinnen, ist fast unmöglich, bei nur einmaligem Lesen. Deshalb hatte ich es fünfmal gelesen – und Notizen gemacht. Doch das Schlimmste: Informationen für Spielende und Spielleitung sind so ineinander verwoben, dass sie nur unter mühsamster Konzentrationsanstrengung live am Tisch auseinandergeflochten werden können. Was bedeutet das alles für das Abenteuer?

Vorbereiten oder Beten

Entweder die Spielleitung verbringt viele, viele Stunden in diesem unangenehmen Ambiente, auf dieser windigen Insel in der Nordsee und macht sich mit diesen kaputten Hauptfiguren vertraut, oder es braucht viel Traubenzucker und eine grosse Prise guten Glauben, um den Spielabend durchzustehen, ohne geistige Gesundheit einzubüssen – und zwar out-game.

Das Schöne und das Hässliche

Was mir am Sänger von Dhol gleichzeitig gefällt und missfällt, sind die vielen offenen Enden. Es ist nicht klar, wie die Geschichte ausgeht und was die Spielerinnen und Charaktere alles ans Licht bringen. Dadurch ist die Spielleitung erneut gefordert und die Spielenden allenfalls verwirrt. Alles zücken zu können, ohne zu wissen, wohin die Reise geht, ist bei erstmaligem Leiten purer Stress.

Die Auflösung

Egal, was alles geschieht und in Erfahrung gebracht wird, am Ende sollte der Sänger von Dhol meiner Meinung nach von der Spielleitung in seiner Ganzheit erzählt werden. Und mit erzählen meine ich erklären. Das habe ich dann auch gemacht. Denn erst dann erschliesst sich den Spielenden der ganze Horror.

Ob der Spieleabend ein Erfolg war? Ich weiss es nicht. Ein wahrhafter Cthulhu-Experte erwiderte auf meine kryptische Twitter-Zusammenfassung des Spiels hin: «Na, das Ergebnis hört sich so an, als ob die SL und die Investigatoren alles richtig gemacht haben.» Möglicherweise. Aber ehrlich gesagt, habe ich bei anderen Abenteuern den Erfolg schon klarer gespürt.

Ich vermute, dass der Sänger mit jedem Mal leiten leichter, flexibler und individueller gespielt werden kann. Dass dann der Spass des Leitens erst beginnt. Doch ohne diese Routine, ist dieses Abenteuer doch relativ anspruchsvoll.

Fazit

Der Sänger von Dhol ist alt. Als deutschsprachiges Abenteuer selbst ein grosser Alter. Der Sänger von Dhol ist recht einzigartig in der Art und Weise. Der Sänger von Dhol umfasst viel Hintergrundgeschichte. Der Sänger von Dhol ist anstrengend. Und der Sänger von Dhol macht sehr viel Spass.

Ich möchte erfahren, wenn es neue Artikel gibt!


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Kommentare

6 Antworten zu „Cthulhu: Der Sänger von Dhol“

  1. […] nachgedacht, welche Cthulhu-One-shots, die ich besitze, sich für eine Spontanrunde eignen würden. Manche sind fünf, sechs Stunden oder zwei Sessions lang, für andere müsste man vorher eine ausführliche Einführung geben und Charaktere […]

  2. […] befinden sich darunter dann echte Perlen, wie die beiden von mir vielzitierten Cthulhu-Abenteuer «Der Sänger von Dhol» und «Gestohlene […]

  3. […] das klassische Cthulhu-Abenteuer «Der Sänger von Dhol» von Florian Hardt nennen, das Du ja auch schon in Deinem Blog renzensiert hast und das ich heute über 20 Jahre nach seiner Erstveröffentlichung immer noch exzellent […]

  4. […] mit diesem Abenteuer ein wenig Satanic Panic kriegen könnten. Mir übrigens schon einmal mit «Der Sänger von Dhol» passiert. Zwar ohne Panik, aber mir kam es schon ein bisschen sehr bizarr vor, die völlig […]

  5. Avatar von Tami
    Tami

    Ich werde das Abenteuer bald leiten, und wäre froh um die Hilfe von SLs die es bereits gespielt haben.
    Mein grösstes Problem mit dem Abenteuer ist vor allem, was ich mache, wenn sie Swantje begraben / nicht alleine lassen / einen kritischen Erfolg auf Erste Hilfe würfeln.
    Daran hängt der ganze Rest der Geschichte – wie gehe ich damit um?
    Und gibt es sonst Ding auf die man erfahrungsgemäss achten muss?Hoffe auf Hilfe, danke im Voraus 🙂

    1. Avatar von Murphy
      Murphy

      Hallo Tami! Schreib mir doch kurz ne Mail, dann schreibe ich dir zurück.

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