Tales from the Loop: Die vier Jahreszeiten der verrückten Wissenschaft

Im Regelbuch des Rollenspiels in den 80ern, die es nie gab, ist eine kleine Kampagne mit drin. Was sie kann und welches Abenteuer am meisten rockt, ist Inhalt dieses Textes.

Tales from the Loop ist eines meiner Lieblingssysteme. Weil es so schön leicht ist. Leicht von den Regeln her, leicht vom Setting. Es hat diese gewisse Schrägheit, ist aber doch ziemlich harmlos. Während Stranger Things rot-schwarz und doch etwas schleimig-blutig ist, ist Tales from the Loop hellblau-orange und schwedisch leicht.

Es hat den Groove von Stranger Things oder E.T. oder Stand by me. 80er, aber in Schweden, aber mit Robotern. Bei Tales from the Loop werden die Abenteuer Mysterien genannt. Sie werden in Szenen mit Hard Cuts gespielt, statt dass alles minutiös ausgespielt wird. Das gefällt mir, da ich Kino-Stilmittel im Rollenspiel ganz gerne mag. Szenische, cinematische, fotografische Mittel sind wir uns gewohnt und wenn man rigoros versucht, diese einzusetzen, dann bringt das dem Rollenspiel ganz schön viel Gefühl. Leider vergisst man das während des Spielens immer wieder mal.

Die Kampagne

Die vier Jahreszeiten der verrückten Wissenschaft ist die Mini-Kampagne des Regelbuchs von TftL. Ich liebe es, wenn hinten in einem Regelwerk schon spielbares Material drin ist, dass einem gleich eine deftige Kostprobe gibt. Nach dem Kochkurs möchte man schliesslich auch probieren, was man gerade gelernt hat. Und das funktioniert bei Tales from the Loop sehr gut.

Serviert werden hier vier Mysterien, in der Form von Jahreszeiten, die einzelne One-shots sind, aber durch einen gewissen Plotbestandteil zusammengehalten werden. Die beiden ersten Abenteuer sind mir von der Anlage her etwas zu ähnlich, gerade das erste Abenteuer ist aber ein genialer Einstieg und das zweite schön skurril. Das dritte Mysterium ist das wohl blutigste und von der Story her ergiebigste, das vierte ist etwas wirr, aber ergiebig.

Nicht immer alles macht glasklar Sinn, manches ist etwas konstruiert und weithergeholt. Auch dürfen die Spielenden hier nicht allzu kritisch sein, denn wenn sie sich fragen: Warum sollte mich diese Aufgabe interessieren? Ich bin ein Kind, ich will mich nicht in Gefahr begeben, ich will einfach nur im Kinderzimmer spielen – dann ist das Abenteuer schneller beendet, als du Tales from the Loop sagen kannst. Wenn man sich aber vornimmt, alles Seltsame sofort aufzuklären, dann kommen witzige Plots zum Vorschein, die unterhaltsame Abende in einem aussergewöhnlichen Setting produzieren.

Ich nenne die vier Mysterien von «Die vier Jahreszeiten der verrückten Wissenschaft» hier nur Mysterium 1, 2, 3 und 4. Dies, weil die Titel der Mysterien viel zu viel über den Inhalt, bzw. den Plot verraten. Die Mysterien sind alle kleine Sandboxen, die einen Anfang und ein Ende haben, relativ linear verlaufen, aber immer offen lassen, in welcher Reihenfolge man Hinweisen nachgehen will und ob man etwas weglässt oder anderes dazu erfindet.

Mysterium 1

Dieses Mysterium handelt von Vögeln. Eine meiner Spielerinnen hat es geschafft, ihrem Charakter rein zufällig die Spezialfähigkeit zu geben, mit Vögeln kommunizieren zu können. Und dann konnte sie an dem Termin nicht mitspielen. Solche Once-in-a-lifetime-Chancen zu vergeben ist schon phänomenal. Das Abenteuer ist ein ideales Einstiegsabenteuer. Nicht zu abgefahren, nicht zu heftig und sehr interessant. Dieses Mysterium scheint mir sehr gelungen und ein guter Prototyp eines TftL-Adventures zu sein.

Mysterium 2

Dieses Mysterium ist etwas kürzer, als das erste. Die Anlage der Story ist etwas schräg, aber spassig und die Tatsache, dass man dem Loop näherkommt, ist ein idealer zweiter Teil. Der Einstieg ist nicht sehr gut durchdacht und führte bei mir zu einem kleinen Exzess der vorgesehenen Ereignisse. Am Ende ging aber alles prima auf.

Mysterium 3

Dieses Mysterium ist das wohl kompletteste, durchdachteste und blutigste der Kampagne. Hier kommen neben seltsamen Apparaturen auch Wesen hinzu, die die Spannung auf die Spitze treiben. Ausserdem gibt es plötzlich zusätzliche Dimensionen, die die Geschichte divers und interessant machen. Dies ist mein Favorit der vier Mysterien.

Mysterium 4

Das ist der grosse Höhepunkt der Kampagne. Hier soll für die Spielenden die Auflösung erfolgen, was genau die drei vorangehenden Mysterien überhaupt miteinander vereint. Dazu geht das Abenteuer zu Beginn von einer Voraussetzung aus, die unter Umständen zuerst konstruiert werden muss. Dieses Mysterium ist lang und verworren, kann über drei Sessions gespielt werden und setzt ziemlich viel voraus, was die Spielenden aus den Hinweisen schliessen müssen, um voranzukommen.

Solide wie eine Backsteinmauer

Die vier Mysterien von «Die vier Jahreszeiten der verrückten Wissenschaft» sind jetzt nicht die Crème de la Crème der Rollenspiel-Abenteuer – und doch sind sie unterhaltsam, verschieden und sehr solide. Sie führen die Spielenden geografisch über alle drei Mälaren-Inseln und in verschiedene Aspekte des Loops ein, ohne bereits alles zu verraten.

Mir persönlich hätte noch etwas mehr Historie und die militärische Seite des Top-Secret-Projekts gefallen, doch vielleicht bin ich zu sehr von Stranger Things vorbelastet. Was gut gelungen ist, sind die Alltagssorgen und einfachen Wehwehchen der Kinder abzubilden und dabei die Ereignisse eskalieren zu lassen, ohne zu sehr zu übertreiben oder brutal zu werden. Was nicht so gut gelang, ist die Motivation der Plot-Treiberin und die Hintergrundgeschichte aufzuzeigen, so dass die SpielerInnen allmählich hinter die Geschehnisse kommen. Ähnlich wie bei manchen Cthulhu-Abenteuern, muss die Spielleitung am Ende Aufklärung betreiben, was nicht immer schlecht ist. In diesem Fall hätte ich mir allerdings gewünscht, dass die Mysterien etwas zusammenhängender sind und sich langsam immer mehr selbst erklären.

Was mir richtig gut gefällt, ist (neben der Stimmung) der Titel der Kampagne, die Idee der Jahreszeiten, die die Umgebung auf den schwedischen Inseln ganz unterschiedlich abbilden und in verschiedene Stimmungen versetzen. Ausserdem sind (ähnlich wie bei Warhammer Fantasy Role-play) viele weitere Ansätze, Orte, NSC und Ideen im Buch drin, die mit ein wenig Aufwand zu weiteren Mysterien, Sandboxen und Mini-Kampagnen zusammengefügt werden können.

TftL-DvJdvW ist eine hübsche kleine Kampagne, mit spannenden Mysterien in einem grossartigen und schön gestalteten Regelwerk. Tales from the Loop ist definitiv und zu allen vier Jahreszeiten einen Ausflug aus Dere, den vergessenen Reichen, Arkham oder Übersreik wert.

Ich möchte erfahren, wenn es neue Artikel gibt!


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Kommentare

2 Antworten zu „Tales from the Loop: Die vier Jahreszeiten der verrückten Wissenschaft“

  1. […] folgende Zusatzfrage beantworten: Spielt Moritz Mehlem auch mal Spiele wie Tails of Equestria oder Tales from the Loop oder würde das an deiner Street-Credibility […]

  2. […] nähere. Bisher habe ich das wunderbare deutsche Regelwerk und die darin enthaltene Minikampagne «Die vier Jahreszeiten der verrückten Wissenschaft»gespielt. Teilweise […]

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