Kontrollgruppe ist eine Abenteuer-Anthologie mit vier Szenarien. Sie sind und funktionieren recht unterschiedlich.
Die Abenteuer kommen mit vorgefertigten Charakteren, bis auf das letzte. Da zückt man alle Überlebenden aus den ersten drei Abenteuern. In den ersten drei Szenarios spielen die Spielenden nämlich «erst» Astronauten, Wissenschaftler oder Mitglieder einer Spezialeinheit. Erst nach einem Szenario werden die Charaktere dann Members von Delta Green, sodass sie im vierten dann in offizieller Delta-Green-Mission unterwegs sind.
Kontrollgruppe, zu Englisch «Control Group», gibt es im Englischen schon seit fünf Jahren, publiziert von Arc Dream Publishing. Bei Ulisses Spiele ist Kontrollgruppe im März 2025 erschienen. Das Buch hat 180 Seiten und kommt ohne Lesebändchen oder Glanzlack aus. Trotzdem ist das Buch von hoher Qualität. Lass uns einen Blick auf die vier Abenteuer der Anthologie werfen. Diese sind möglichst spoilerfrei gestaltet, schliesslich sollen sie nur Lust auf mehr machen und nicht alles verderben.
Blacksat
Hier sind alle Charaktere NASA-Austronauten, die eine wirklich sonderbare Mission zu erfüllen haben. Das seltsame Gefühl beschleicht einen einerseits durch Ungereimtheiten im Vorfeld, durch ungenaue Informationen und schliesslich durch die unentrinnbare Situation im Weltall. Creeps me out. Bin kein besonderer Fan von Weltall und Science Fiction, hat irgendwie trotzdem was.
Da es sich um eine minutiös geplante Mission handelt, ist der Ablauf starr vorgegeben. Macht mir aber nichts, denn ich bin ein grosser Fan geplanter Abenteuerabläufe, nicht zu verwechseln mit Railroading.

Nächtliche Visionen (Night Visions)
Das zweite Szenario «Night Vision» holt mich total ab. Es geht um eine US-Einheit im Afghanistankrieg, die ein gar nicht so abgelegenes, aber kaum erforschtes Tal besuchen soll. Die Mission ist, die Bevölkerung des dortigen Dorfes zum gemeinsamen Kampf gegen die Taliban zu bewegen. Dass man dann mit Geländewagen und schwerbewaffnet durch die Gegend kurvt, ist schon cool – allein schon, weil ich wenige solche Abenteuer kenne. Endlich ist man einmal nicht schutzlos ausgeliefert, sondern hat etwas entgegenzusetzen. Wenn es das denn braucht. Das ist nämlich völlig unklar.
Das Szenario ist spannend und etwas krank. Man muss wirklich auf Horror eingestellt sein, um sich dem Thema hinzugeben. Leute, die sich Juhu-Rollenspiel mit Lollipop und Zuckerwatte gewohnt sind, werden hier (im wahrsten Sinne des Wortes) dran zu beissen haben. Stichwort: Kunkalu. Pfui Spinne!
Geleitet habe ich es noch nicht, aber nach mehrfachem Durchlesen fühlt es sich so gut an wie «Last Men Standing», einem meiner absoluten Lieblingsabenteuer für Cthulhu. Ein Abenteuer kurz, spannend und mit Action-Teil.
Die Krankheit (Sick Again)
In Sick Again spielt man Wissenschaflter oder Forscher. Es geht um eine seltsame Krankheit. Hazmat-Anzüge und die Angst vor Keimen sind Programm. In einer Stadt in Arizona gehen die Agenten in einem Sandbox-Abenteuer Hinweisen nach. Was sie herausfinden, ist typisch Delta Green beunruhigend.
Dieses Szenario ist wohl die grösste Herausforderung, um es zu leiten. Und man muss wirklich, wirklich Lust auf Krankheit haben. Und Autopsien. Und echt schräge Verwicklungen. Krank.
Wormwood Arena
Bei dieser Mission bekomme ich «Tales from the Loop»-Vibes oder auch «Mutant: Year Zero». Aber halt einfach in Erwachsenversion. In dieser Mission geht es nach Kansas City, Missouri. Wie oben erwähnt, ist das Coole daran, dass man die «Überlebenden» der ersten drei Abenteuer nehmen kann und sie sozusagen als Fortsetzung in «Wormwood Arena» reinschicken, nachdem sie nun Delta-Green-Agenten sind. Natürlich nur inoffiziell, denn Delta Green existiert schliesslich nicht.

Stimmungsvoll verstörend
Das Cover zeigt eine Person unbekannten Alters in einem Schutzanzug, das Gesicht von einer Gasmaske verdeckt. Die Kapuze schliesst luftdicht ab, genauso wie die dicken Handschuhe. Der lange Gang im Hintergrund ist nur an gewissen Stellen beleuchtet. Das Auffälligste an dem Bild ist, dass die Person einen Teddybär in der Hand hält, was darauf hindeutet, dass es sich bei der Person um ein Kind handelt. Oder es gibt eine andere ungemütliche Erklärung dafür.
Fazit
Tolle, beunruhigende Abenteuer unterschiedlicher Art und ein toller Einstieg ins Rollenspiel Delta Green für Spielende und Spielleitungen gleichermassen. Hervorzuheben ist für mich das Abenteuer «Nächtliche Visionen». Es ist spannend, möglicherweise actionreich und besonders hässlich.
So mancher Rollenspielfan sammelt Grundregelwerke und fachsimpelt über Mechaniken und Systeme. Dafür improvisiert und homebrewt er dann die Abenteuer. Ich bin dagegen ein Liebhaber guter Kaufabenteuer, möchte die besten (natürlich für meinen Geschmack) ausfindig machen, sie kennen, können und spielen. So, wie man einen guten Wein für sich entdeckt oder ein geniales Musikalbum. Und «Nächtliche Visionen» ist für mich so ein guter Tropfen mit aussergewöhnlicher Klangqualität.
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