Gnome Monk Roleplay

Gut gespielt ist halb verloren


Wer den vergesslichen oder dummen Charakter gut spielt, zieht den Hass der Mitspielenden auf sich. Wo eigentlich frohlockt werden müsste, weil überzeugend gespielt, wird mit dem Kopf geschüttelt und geprustet.

Die Grenzen des Rollenspiels sind schwammig, dehnbar und die Rollenspielpolizei greift in jedem Gebiet des Rollenspiels wegen anderer schwerer oder geringfügiger Delikte durch. Doch je länger, desto mehr fällt mir auf, dass gutes Rollenspiel nicht immer belohnt wird. Und damit meine ich nicht gutes Schauspielern oder das Spiel als Spiel gut zu spielen, sondern seine Rolle gut einzunehmen und auszufüllen.

Ein einschneidendes Erlebnis

Wer sich wirklich in seinen Charakter hineindenkt, stösst an die Grenze von In-game und Out-game. Ein Beispiel, welches mir das deutlich vor Augen geführt hat, war dieses, von dem ich im Artikel «Worst-Case-Rollenspiel» berichtete. Ich war in-game als Polizeipraktikant alleine losgeschickt worden, um eine Kutsche bei einem adeligen Herrenhaus abzuholen. Dort angekommen vernahm ich zufällig Informationen, die natürlich alle am Tisch out-game mitbekommen haben. Als mein Charakter jedoch zurück bei seiner in-game Polizeitruppe war, liess ich (als Spieler ganz bewusst) von meinem Charakter nur die Hälfte der Informationen mitteilen, weil der diese Informationen für unwichtig hielt. Das gab der Story natürlich einen neuen Spin, was ein paar meiner Mitspielenden gar nicht verstanden und ein paar davon richtig blöd fanden.

Was für mich schockierend war, ist dass gestandene Rollenspieler nicht einmal den Unterschied zwischen «das habe ich als Spieler gehört» und «das hat mein Charakter gehört» unterscheiden konnten. Denn das ist doch die Basis von Rollenspiel!?

Ja, wir haben einen Plot zu verfolgen und Hindernisse zu überwinden, aber wenn der Praktikant nun einmal versagt, ist das halt so. Vielleicht sollte man für die wichtigen Aufgaben halt besser nicht den Praktikanten schicken? Jedenfalls gab es Konfusion und Ressentiments am Spieltisch.

Vermischung von In-game und Out-game

Natürlich heben sich die Grenzen von «im Spiel» und «ausserhalb des Spiels» immer mal wieder auf. Zum Beispiel, wenn ich ein Genie spiele. Da ich kein Genie bin, kann ich diese Genialität nur mittels Intelligenzwürfen abbilden. Dann verschwimmt die Grenze, weil ich in-game nicht intelligenter als out-game sein kann, ausser durch Werte.

Oder beim Lösen von Rätseln. Wenn ich während des Rollenspiels tatsächlich knobeln will, dann muss ich das als Spieler*in tun. Ausser, die Rätsel werden auch durch Würfeln abgehandelt, dann ist es allerdings kein richtiges Rätseln mehr.

Dumme und ängstliche Charaktere

Vielleicht ist das auch ein Grund, warum wir mächtige, potente, smarte und starke Charaktere spielen (wollen). Denn wenn ich den ängstlichen Charakter überzeugend spiele, der vor der Herausforderung davonrennt, der sich vor der Gefahr versteckt, dann ist das gut für die Story, aber sorgt bei den Mitspielenden für Aufregung. Wenn ein Charakter die Lunte zu früh anzündet, weil er den IQ eines Kettenhemds hat, dann ist das zum «aus der Haut fahren», obwohl der Charakter ja nun mal beschränkt ist. Was kann der denn dafür, dass man ihm die Fackel anvertraut hat?

Rollenspiel-Stil

Hier stellt sich einmal mehr die Frage, ob das Rollenspiel eine Simulation, eine interessante Story oder ein Game sein soll, das es zu gewinnen gilt. Sind sich die Spielenden über den Spielstil nicht einig, wird das schwierig. Denn mit Loser-Charakteren kann das Team schlecht gewinnen. Und wenn es ums Gewinnen geht, muss die Spielerin mit dem ängstlichen Charakter jedes Mal den Kopf einziehen, wenn sie ihren Charakter vernünftig ausspielt.

Da kann wieder einer sagen, GNS sei längst passé und alle wollten doch einfach Spass haben… Aber das geht eben nur, wenn man die gleichen Freuden innerhalb des Hobbys Rollenspiel teilt und die gleichen Ziele verfolgt. Sonst ufert das schnell in Frust aus.

Mir zeigt es immer wieder, wie paradox Rollenspiel ist. Es ist simpel und biegbar, gleichzeitig hochkomplex. Es begeistert ganz viele Leute, aber nicht aus den gleichen Gründen. Sich vorgängig auf Konventionen zu einigen und solche Praxisfälle in der Theorie durchzudenken, kann unter Umständen den Spielspass erhöhen und zukünftigen Zwist eliminieren.

Ich möchte erfahren, wenn es neue Artikel gibt!


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Kommentare

10 Antworten zu „Gut gespielt ist halb verloren“

  1. Avatar von titaniumbiscuit
    titaniumbiscuit

    Ich musste gerade an den Gefängniswärter aus Das Leben des Brian denken.

  2. Avatar von Harald
    Harald

    Die typische Antwort ist da: kommt drauf an – und hier primär (neben der ggf erklärten Spielausrichtung GDS, hust) die der Gruppenbildung.
    Typischer- wie idealerweise überlegt man sich, mit wem man auf potentiell tödlich Abenteuer geht. Und da gibt es dann 2 sage ich mal „Fallen“.
    1) Die Figur hat bekanntermaßen Probleme, es wird aber weil der Spieler ein Kumpel ist ein Auge zugedrückt und der SC mitgenommen. Dann kann man umgekehrt auch erwarten, dass der Spieler diese Defizite dann moderat ausspielt und eben nicht zu einer echten schweren Belastung bis Bedrohung wird.
    2) Die Figur ist nominell kompetent und „entdeckt“ ihr Problem erst mitten im Spiel, gerne auch zur kritischst möglichen Unzeit, so dass es unvermeidlich und mit maximaler Härte über die Mitspieler einbricht. (-> Taschenlampenfallenlasser)

    Die Frage ist in der Essenz also nicht „Sipele ich eine potentielle Problemfigur“ sondern „gebe ich der Gruppe eine ausreichende Chance die Gefahr zu erkennen und so zu vermeiden/moderieren“ – oder „Sei kein Arschloch“.

  3. […] Post von Pen und Paperblog, „Gut gespielt ist halb verloren“ hat mich mal wieder an die Tastatur getrieben 😀 – dafür schon mal vielen […]

  4. Avatar von Axel
    Axel

    Das Wichtigste beim Rollenspiel am Spieltisch würde absolut auszer Acht gelassen:

    Es ist und bleibt ein Gruppenspiel! Egomanen mit dem Drang zur Selbstdarstellung und Extremisten der Detailtreue haben am Spieltisch keinen Platz, wenn der Meister ein Abenteuer präsentieren will und die Mitspieler auch noch zu Wort und Tat kommen wollen.

    1. Avatar von Murphy
      Murphy

      Danke für deine Meinung, Axel. Wie steht es um den Simulationsaspekt des Spiels? Wenn alles S-Spielende (GNS) am Tisch sitzen, dann ist Detailtreue doch ein Muss?

  5. Avatar von ghoul

    Ah, du bist einer dieser Taschenlampenfallenlasser!
    Darüber habe ich mir den Kopf zerbrochen, bis ich zu folgender Erkenntnis kam:
    https://ghoultunnel.wordpress.com/2011/10/21/neue-erkenntnisse-uber-spielertypen/

  6. Avatar von Grannus
    Grannus

    Der ghoul war schneller.

  7. Avatar von Mowl1974

    Hier geht es nicht um individuelle Spielstile, sondern um die ganz praktische Frage, wer mit wem Rollenspiel betreiben sollte – also darum, sich über die Lösung alsbald möglicherweise entstehender Zielkonflikte zu verständigen; oder diese noch besser gar nicht erst aufkommen zu lassen.

    Wenn man eine Kampagne aufzieht, gibt’s dafür eine Session 0, in welcher idealerweise geklärt wird, welche Art von Spiel an diesem Tisch als passend betrachtet wird. Wenn die Mehrheit der Mitspieler und der/die SL kein Interesse daran haben, in ihren Aktionen durch möglichst hohe Detailtreue eines Partikularspielers (und die zwangsläufig daraus resultierend geplatzten Gruppenpläne) gecrashed zu werden, hat man das zu respektieren – ist immer noch ein soziales Spiel. Es gibt gewiss irgendwo einen anderen Tisch mit Gleichgesinnten, an dem man sich wohler fühlen wird, weil man SEIN Spiel spielen kann. Oder man kann die anderen davon überzeugen bestimmte Aspekte zu akzeptieren – doch das ist ein offener Prozess…

    Bei einem One-Shot erwarte ich als SL jedoch, dass ALLE am Tisch mit der Spielprämisse mitziehen. Und wenn das bedeutet, dass man über seinen Schatten springen und entscheidende Informationen weitergeben oder bestimmte HAndlungen ausführen muss, um den Fluss aufrecht zu erhalten – und NICHT die Experience für ALLE anderen zu crashen – dann tut man gut daran, über seinen Schatten zu springen.

    Denn am Spieltisch gilt, wie sonst im Leben auch, der kategorische Imperativ: meine Freiheit endet da, wo die der Anderen beginnt…

    1. Avatar von Murphy
      Murphy

      Erstmal: Vielen herzlichen Dank für diesen wirklich elaborierten Kommentar. Meine Reaktion darauf ist weder despektierlich, noch provokativ gemeint. Ich schätze freie Meinungsäusserung und unterschiedliche Ansichten, bzw. Diskurs sehr. Aber: Ich finde es interessant, wie die Session Zero immer alle Probleme der letzten Rollenspieljahrzehnte aus dem Weg räumen soll. Ich mache Session Zeros, halte sie für enorm wichtig, sinnvoll und gewinnbringend. Am Ende können drei Stunden über Grundsätze reden aber nicht Spielstile, Vorlieben und die Weltanschauung abgleichen, geschweige denn angleichen. Auch die Aussage „Sonst bist du einfach in der falschen Runde. Da draussen gibt es einen Tisch, der genau auf das steht, auf was du stehst.“ finde ich schwierig. Weil ich hier nicht einmal fünf Nasen finde, die dasselbe System spielen wollen, geschweige denn um die Ecke wohnen, die Art von Rollenspiel in der gleichen Ausprägung und Frequenz spielen wollen.

      1. Avatar von Mowl1974

        Zuvorderst: ich empfinde deine Antwort nicht als despektierlich. Dann möchte ich dir versichern, dass die Session 0 auch in meiner Wahrnehmung definitiv nicht alle Probleme löst. Es hängt sehr stark davon ab, ob ich mit Freunden/Bekannten spiele (was bei mir häufig der Fall ist), oder eine neue Gruppe zu etablieren suche. Man kann sich eine Session 0 auch sparen und in medias res gehen, um herauszufinden, wie alle am Tisch ticken; das birgt halt immer das Risiko eines Zielkonfliktes.

        Was ich im ersten Post sagen wollte war auch nicht, dass man jemandem gleich die Tür weisen sollte – aber es erwies sich in meiner Erfahrung immer als tricky, wenn Spieler am Tisch im Spiel höchst unterschiedliche Ziele verfolgten. Oft genügte da auch ein freundliches Gespräch nicht, um einen Kompromiss zu finden. Und bevor ich keinen Spaß an einem Spiel habe, dass Spaß machen soll, könnte es der bessere Weg sein, sich ein anderes Spiel zu suchen. Besteht diese Möglichkeit nicht, ist das zweifellos ärgerlich.

        Aber ich bleibe dabei: die Freiheit des einen endet da, wo die des nächsten beginnt; wenn MEIN Spiel anderen Spielern am Tisch Agenda nimmt, den Spaß verdirbt oder die Lösung eines lösbaren Szenarios erschwert, ohne dass dies einen anderen Nutzen hat als meinen Spielspaß, dann haben wir einen Zielkonflikt. Und da bin ich ganz klar Demokrat – wenn alle anderen am Tisch etwas anderes wollen, dass ict es NICHT der Tisch, an dem ich spielen sollte…

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