Oder alternativ «Orks: Das personifizierte Böse». Denn Orks sind hässliche, humanoide Monster, die eine rohe, ungehobelte Kultur, Sprache und einen verachtenswerten Umgang mit allem pflegen. Wirklich?
Sind Orks eine für uns unverständliche Kultur? Oder sind es schlicht wilde Bestien, die nur töten und brandschatzen? Von ihrer Erfindung bis heute, haben sich Orks schwer gewandelt. Das hat mit unserer Echtweltgesellschaft, der positiven Entwicklung gegen Rassismus, Diskriminierung und auch mit der Rollenspielszene zu tun, die weitestgehend LGBTQIA+-freundlich ist. Und diese Entwicklung in unserer realen Gesellschaft befinde ich für mehr als gut. Bei den Orks bin ich mir aber nicht so sicher. Denn sie haben einen grossen Anteil an der Faszination von Der Herr der Ringe. Doch eins nach dem anderen…
Orks im Wandel
Heutzutage werden Orks immer häufiger als vernunftbegabt, denkend und gar liebend dargestellt. Sie haben Familie, Kinder, Gefühle und sind nicht unintelligent. Deshalb gibt es sie auch immer häufiger als spielbares Volk in Fantasy-Systemen. Ihr Ursprung ist aber ein ganz anderer.
Der Name Ork kommt vom lateinischen Orcus. Der Begriff steht für Unterwelt, woraus J. R. R. Tolkien eine fiktive, nichtmenschliche Monsterrasse gemacht hat. Bei Tolkien sind Orks hässlich und pflegen keine zivilisierte Kultur. Sie haben grobschlächtige Waffen, stellen Rüstungen, Gebäude und Pfeile von grober und minderer Qualität her. Ihre Sprache ist hässlich und wird von krächzenden, grunzenden Stimmen gesprochen. Orks sind gewalttätig. Sie kennen keine sozialen Verpflichtungen, streben nach Macht, sind gierig und nicht vertrauenswürdig.
Orks als Schwertfutter
Warum das so ist? Ist euch schon einmal aufgefallen, dass die Massen von Gegenspielern immer gesichtslos sein müssen? Die Stormtrooper in Star Wars? Die vermummten Gegner bei Drachenzähmen leichtgemacht? Orks in Der Herr der Ringe? Sie brauchen kein Gesicht, keine sie definierenden Merkmale, keinen Charakter. Sie sind austauschbar und sollen austauschbar sein. Sie sind eine bedrohliche Masse, die es zu bekämpfen gilt. Keine Wesenszüge, keine menschlichen Attribute, einer ist wie der andere. Sonst könnten wir ja Skrupel bekommen bei ihrer Bekämpfung und uns fragen, ob die Gewalt, die wir hier anwenden, so richtig ist. Und das hilft der Geschichte nicht. Ich gehe sogar so weit zu behaupten, dass das der Grund ist, warum Der Herr der Ringe und allgemein Fantasy so erfolgreich sind. Lies dazu auch unseren Artikel «Darf ich Orks töten?».
Orks bei Warhammer
Für mich waren die Warhammer-Orks die ursprünglichen Orks. Haarlos, grünhäutig, grobschlächtig, instinktgetriebene Kampfmaschinen. Genauso wie die Goblins, die etwas schlaueren, aber feigen kleinen Verwandten der Orks, die im Gegensatz zu den beängstigenden Orks nur fieses Kanonenfutter sind.
Dieses Bild, welches mir durch HeroQuest vermittelt wurde, blieb für immer in meinem Kopf. Wie wenn du als Kind lernst, was ein Elefant ist. Für mich wird ein Elefant immer das Bild eines afrikanischen Elefanten hervorrufen, auch wenn mir bewusst ist, dass es auch asiatische Verwandte gibt.
Orks bei Herr der Ringe
Tolkiens Orks, die schliesslich der Ursprung und die Vorlage für Warhammer-Orks sind, kann ich mit der Darstellung der Orks bei Warhammer ganz gut vereinen. Obwol die Orks in den Lord-of-the-rings-Filmen leider ziemlich anders dargestellt wurden, konnte ich damit noch halbwegs umgehen. Schwarze Haut, der Standard-Ork eher goblin-mässig, passt gerade noch so. Wenn es mir auch nicht ganz meiner Fantasie entspricht, die ich anhand der Bücher hatte.
Gemäss Tolkien seien die Orks von der vollkommen bösen Entität (Satan) verdorbene und gefolterte Elfen. Das Trope der gefallenen Engel. Sie sind zum Bösen geboren. Tolkien selbst hatte anscheinend später selbst Mühe mit dieser seiner Vorstellung. Tolkien, der das Grauen des ersten Weltkriegs selbst als Soldat erfahren musste, soll einmal gesagt haben: «We were all orcs in the Great War».
Orks bei DSA
Die pelzigen Kollegen bei Das Schwarze Auge hingegen, haben bei mir immer affenähnliche Assoziationen geweckt und fallen mir deshalb zu sehr aus dem Rahmen. Ich erinnere mich, dass wir vor mehr als zwei Jahrzehnten DSA spielten und ich mir den allerersten Ork, den wir da in der Pampa trafen sofort wie ein Ork aus HeroQuest vorstellte, welche de fakto von Games Workshop designt wurden und somit die gleichen sind, wie die von Warhammer. Bei DSA liegt es mehr an den Menschen, dass sie die Orks für andersartig und primitiv halten, als daran, dass die Ork nur geistlose, blutrünstige Monster sind, habe ich mir erklären lassen.
Orks bei Dungeons & Dragons
Die Orks bei Dungeons & Dragons sehen zwar cool aus, sind mir aber viel zu menschlich, besonders die scheinbar gesellschaftlich akzeptierten Halborks. Eigentlich sind sie Menschen mit farbiger Haut und Hauern. Wie eigentlich alle Völker bei D&D nur Menschen mit anderem Aussehen sind. Entschuldige die Blasphemie. Ich mag D&D, ist mir aber ein bisschen zu plakativ platt. Wie auch die Orks.
Orks bei Warcraft
Die Orks bei Warcraft, die von den Warhammer-Orks abgekupfert wurden, sind die bestaussehendsten Orks. Sie sind hulk-ähnliche Muskelberge mit toller Ausrüstung, echten Gesichtszügen und perfekten Ork-Proportionen. Doch auch hier: Sobald Orks nicht mehr die gesichtslosen Wilden sind, die sinnlose Gewalt in die Welt bringen, verfehlen sie ihren Daseinszweck komplett. Wenn Orks plötzlich Kinder kriegen, Familien beschützen, Nahrungsmangel haben oder ihr Territorium (bei Warhammer haben sie das nicht, sondern ziehen idealerweise plündernd herum) bedroht sehen, dann werden sie plötzlich menschlich. Sie haben nachvollziehbare Emotionen und Beweggründe, was sie als Orks unnötig macht. Sie könnten auch einfach ein weiteres menschliches Volk sein. Tolkiens Haradrim sozusagen.
Orks und Stormtrooper
Das ist, als würde man plötzlich die Geschichte eines Stormtroopers bei Star Wars erzählen. Wie er es leid ist, jeden Tag für das Imperium zu kämpfen und eigentlich lieber zu Hause bei seinen drei Töchtern und seiner Frau wäre. Seine jüngste Tochter hat eine schlimme Krankheit und sie bräuchte ihren Vater gerade so sehr. Wäre er doch nur da, um mit seinen Kindern den Urlaub verbringen zu können, sie haben nämlich gerade Schulferien. Seine Frau hat kürzlich ihre Stelle als Krankenpflegerin verloren, darum ist die Familie auf seinen Stormtrooper-Sold angewiesen. Nur, indem er gegen die Rebellen kämpft und sein Leben aufs Spiel setzt, haben sie genug, um die Versicherungsprämien und die Miete zu bezahlen. Ganz zu schweigen von den Medikamenten für seine Jüngste.
Das Echtweltdilemma
Wozu das führt? Dazu, dass wir bei jedem Stormtrooper, der von einem Laserstrahl der Rebellen erwischt wird, unter seinen Helm schauen. Wir denken an sein Leiden, das ihm der Laserstrahl verursacht, an seine Lebensgeschichte, seine Ängste, Freuden und Hobbys im Leben. Wir denken an einen Mann (oder eine Frau), welche/r gerne leben und glücklich sein möchte. Stattdessen wird er brutal von einem Rebellen niedergemäht und stirbt in seiner Plastikrüstung schmelzend und einsam auf einem kalten Boden, wo nie ein Sanitäter vorbeikommt, um sein Leben zu retten. Das ist nicht, wozu Stormtroopers erschaffen wurden und schon gar nicht, wofür die Orks erdacht wurden.
Der Zweck der Orks
Ist es gut, wenn man den Gegner als menschlich und als Individuum zeigt? Im echten Leben: JA. Grosses JA. Auf jeden Fall. Wenn wir alle so denken würden, empathisch und vorausschauend währen, dann gäbe es keine Kriege mehr.
Wenn man aber in einer Fantasy-Welt spielt, dann wurden diese Orks genau dafür geschaffen, dass wir nicht menschenähnliche Kreaturen bekämpfen müssen. Es geht um die Frage: Was wäre, wenn es eine dunkle Bedrohung gäbe, wo keiner sich fragt, ob es legitim ist, sich zu wehren? Weil diese Bedrohung so unerbittlich und unaufhaltsam ist, weil diese Bedrohung nicht mit sich verhandeln lässt und nicht fähig ist, rational zu denken und Gnade walten zu lassen. Dann bliebe uns doch nichts anderes, als dagegen zu kämpfen, weil jede andere Entscheidung zu unserer Auslöschung führen würde. Und genau diesen eindeutigen Sachverhalt gibt es nicht in der realen Welt und nur in der Fantasy, weshalb diese auch so reizvoll erscheint.
Keiner, der gegen Orks in den Kampf zieht, muss sich rechtfertigen. Dazu ist man in der Fantasy auch noch der unbesiegbare Held, der am Ende alles zum Guten wendet. Dies als Allmachtsphantasie für introvertierte Personen, die im echten Leben nicht zu den Grossmäulern und Mutigen gehören.
Lasst die Orks in Ruhe
Orks sind unmenschlich, grausam, unaufhaltsam, unverständlich, wild, mit Vernunft ist ihnen nicht beizukommen. Sie verstehen nur eine Sprache, mit der sie aufgehalten werden können, das ist Gewalt. Leider. Nicht, weil wir das so wünschen, sondern weil es so ist, müssen wir uns der Gefahr stellen, wir haben keine Wahl. Darum sind Tolkiens Orks, sind Warhammer-Orks die Ur-Orks. Natürlich darf man sie weiterentwickeln, natürlich darf man ihnen Mitleid, Gnade, Sehnsucht und Liebe beibringen, um den Lesern ein neues Gefühl zu geben. Ja, man kann aus einem Metal-Lied ein Reggae-Lied machen. Aber es verfolgt dann nicht mehr den Zweck, weswegen das Lied einmal geschrieben worden ist.
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