Du erinnerst dich an «Zustand und Zukunft des Rollenspiels»? Der Artikel, der nach dem diesjährigen Online-Tanelorn-Treffen entstand? Das war die optimistische Vorhersehung – jetzt kommt wohl die andere.
Auslöser war Markus Plötz’s Keynote Speech an der RatCon 2022. Darin erklärt er, warum Ulisses nicht gesund ist und woran Branche und Szene erkrankt sind.
One D&D
Mir wurde Angst und Bange, als ich die Ankündigung von One D&D vernahm. Mir gefällt dieser Kommerz nicht. Ich brauche keine TV-Show, Werbevideos, Vermarktung und Digitalisierung eines Spiels, welches auch aus einem Buch in meinem Kopf stattfinden kann.
One D&D heisst wohl so, weil alles aus einer Hand kommen soll. Und weil alle Münzen in die gleiche Hand wandern sollen. Abhängigkeit der Gefolgschaft, gut eingefädelt. Das kann man machen, weil man ein Monopol führt, von dem andere nur träumen können. Zum Beispiel Ulisses aus Deutschland. Denen geht es nämlich gerade nicht so gut.
Ulisses an der RatCon
Ulisses hat gerade erst über 20 Prozent ihrer Belegschaft entlassen (müssen). Grund: Viel zu hohe Produktionskosten. Ulisses-Geschäftsführer Markus Plötz erklärt vor wenigen Tagen in seinem Keynote-Speech an der RatCon, dass ein Buch, das vor zwei Jahren 40 Euro kostete, jetzt für 60 Euro verkauft werden müsste. Niedrigere Margen, Inflation und Krisen, Angst, Unsicherheiten. Niemand gibt aus vollen Händen Geld aus. Das trifft den Verlag hart.
Auf den Slides von Plötz stehen Dinge wie «Die Rollenspiel-Branche hat sich grundlegend verändert» und «Die alten Regeln gelten nicht mehr». Vier Produktlinien werden eingestellt, darunter Starfinder und Tails of Equestria, weitere vier Spiele werden vorerst nicht weitergeführt. Oder wie Markus Plötz es sagt: «Auf Eis gelegt».
Plötz prangert an
Die Rollenspielszene schafft sich selbst ab, glaubt Markus Plötz. Die Szene überaltert. Das stimmt meiner Ansicht nach nur bedingt. Siehe den Penandpaper.blog-Artikel «Zwei Generationen von Rollenspielenden». «Wir verursachen diese Überalterung aktiv selbst», behauptet Plötz. «Durch einen unfassbaren Reflex zum Gate-keeping», sagt er. Den hätten sie in den USA nicht, diesen Gedanken, dass man das richtig spielen müsse. Diesen Punkt kann ich leider nicht nachvollziehen. Denn ich stelle fest, dass die Alten ganz froh sind, dass da Junge kommen, die das Hobby Rollenspiel reaktivieren und ihm sogar neues Leben einhauchen. Sonst wären sie wirklich nur noch ein Haufen von Auslaufmodellen mit einem verstaubten Hobby. Ich glaube, er meint nicht Rollenspiel im Allgemeinen, sondern spricht von ihren Erfahrungen mit DSA. Denn das ist leider auf dem absteigenden Ast, unter anderem, weil alte Hasen den Jungen den Weg versperren, statt aufmachen. Doch das hat Plötz in dieser Deutlichkeit leider nicht gesagt.
Einmal entstauben, bitte!
Ganz ehrlich, ich kriege schon immer ein ungutes Gefühl, wenn ich die Ulisses-Website anschaue. Da spürt man schon, dass die Leute bei dem Verlag zur Hälfte Profis und zur anderen Hälfte Fans und Nerds sind. Die Seite ist unübersichtlich und fühlt sich nicht überall aktuell an. Wie sollen die paar Leute auch alles jonglieren, was ein Verlag in dieser Branche mit diesen Produkten heutzutage leisten muss?
Von mir aus könnten sie weniger, das dafür konsequenter und besser machen. Die Sachen, die sie machen, müssten dafür grösser, professioneller und auffälliger sein. Wer braucht Ulisses-Miniaturen, -Streams und -Cons? Mir reicht es, wenn Das Schwarze Auge, Hexxen, Warhammer Fantasy Role-play und Pathfinder verlegt werden.
Was ich will
Was mich angeht, möchte ich nicht nur noch Marktleader (D&D) auf einem System und Tool spielen, dass sich irgendwann One D&D The Next Generation nennt und mir vorschreibt, zu welchem Abo-Plan ich welchen Inhalt nutzen kann. Ich will kein virtuelles Rollenspiel, das sich wie ein veraltetes PC-Spiel anfühlt. Ich mag online spielen, ja, aber ich möchte auch schöne Bücher, analoge Würfel und echte Menschen auf Stühlen an Tischen, die sich im realen Leben sehen.
Darum, Ulisses, versucht nicht Wizards of the Coast zu sein, ausser in Sachen Professionalität. Seid mehr wie die Herzbluter System Matters oder wie Free League – die machen gute, wertige, schöne Spiele. Und die dürfen dann auch 60 Euro kosten.
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