Legendär, entzückend, gehaltvoll. Moria Through the Doors of Durin ist randvoll mit Glückshormonen für Lord-of-the-Rings-Fans.
The One Ring 2e ist ein One-of-a-kind-Rollenspiel. Die Mechanik ist sweet, der Verlag heisst Free League (beste Promo-Abteilung weit und breit) und die Illustrationen sind künstlerisch erste Sahne.
Moria? Abwärts!
225 Seiten Text, zwei rabenschwarze Lesebändchen und hinten drin eine Karte der Minen von Moria zum Rausnehmen. Das müsste sich jeder LotR-Fan kaufen, auch ohne Rollenspieler zu sein. Die Karte von Moria (das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Karte von Moria!) ist auch auf der Innenseite des Buchdeckels vorne und hinten noch einmal abgedruckt. Der Einband ist matt und das Cover zeigt die Mellon-Pforte nach Moria. Ich sage: Sprich Freund und tritt ein!
Was ist dieses Buch bloss?
Das ist kein Abenteuerband, kein Kampagnenband, es ist kein Settingband. Oder doch? Am ehesten ist dieses Buch ein Städteband, wenn man so will. Ähnlich den Städtebänden von Warhammer, die gespickt sind mit Orten, Plothooks und Monstern oder NPCs. Moria ist randvoll mit Informationen und Inspirationen zu Räumen, Orten und Kreaturen, um locker eine ganze Kampagne in den Zwergentiefen von Moria zu spielen. Darum spreche ich hier von einer «Kampagne».
So viele Abenteuer
Was die «Kampagne» will, ist einfach zu erklären: Dungeon Delving. Es ist der legendärste Dungeon der Geschichte. Ich weiss, es wird hauptsächlich Orks und Goblins da drin geben. Und ja, wer sich Gelatinous Cubes und Mimics gewohnt ist, mag das langweilig finden. Aber hallo: Moria!? Dies ist die Mutter des Untergrundgewölbes, Underdark hin oder her.
Die «Kampagne» schickt die Gefährten somit auf die Suche. Auf die Suche nach Schätzen, auf die Suche nach Mithril und die Suche nach der Legende Durins. Und am Ende (wer hätte es gedacht?) ist vielleicht irgendwo in den Tiefen von Moria ein Balrog im ewigen Schlaf. Darum: Haltet euch von Brunnenrändern mit Rüstungen fern. Wirklich.
Und dann nochmal die Karte von Moria … Wenn ich mir die wunderschöne Karte so ansehe und mir bewusst mache, wie viele Ebenen Moria eigentlich hat und dass Zwerge das in den mächtigen Stein der Misty Mountains gehauen haben, dann läuft mir ein Schauer über den Rücken. Geschweige denn, die Vorstellung, in diese dunklen und verseuchten Stollen hinabzusteigen, hunderte Meter unter Tage. Da vergesse ich glatt, dass das nur dem Gehirn eines Philologen entsprang, dessen dritter Vorname «Reuel» war.
Gänsehaut stark
Was ich einst bemängelte (Siehe Artikel: The One Ring Starterset) ist jetzt die Stärke dieses Buches und von The One Ring: nämlich dort spielen zu können, wo die Legende lebt. Einziger Wermutstropfen: Es gibt kein einziges eigentliches Abenteuer in «Moria – Through The Doors of Durin». Das macht das Buch umso runder, aus künstlerischer Sicht. Aber man muss die Arbeit halt wirklich selbst machen.
Um dieses formvollendete Buch zu geniessen, braucht man meiner Meinung nach genau (nur) das: Hochachtung, Liebe und Faszination für den Herr der Ringe. Wer diese Geschichte verehrt, in dieser Welt gelebt, gelitten und geliebt hat, der wird mit «Moria – Through The Doors of Durin» noch viele glückliche Stunden mehr finden.
Wer ein abgebrühter OSR-Kerkerkämpfer oder High-Fantasy-Dungeon-Slayer ist, könnte sich ob der beschriebenen Szenerien und den grundlegenden Gegner aber vielleicht ein Gähnen nicht verkneifen.
Ich selbst komme jedoch nicht umhin, vor Ehrfurcht zu erzittern. Diese bräunlichen an Tuschzeichnungen erinnernden Illustrationen, die die Mächtigkeit und Geschichtsträchtigkeit dieser unendlich lange verschlossen gewesenen, düsteren, muffig-feuchten Grabstätte wiedergeben. Zufallstabellen, unerwartete Kreaturen, ehrwürdige Zwergenstätten – es ist, als dürfte ich selbst das Abenteuer erleben und in die heiligen Hallen Durins steigen, unsicher, ob es einen Rückweg für mich geben wird. Aber wären wir denn Helden, wenn wir es nicht trotzdem wagten?
Wenn du The One Ring ohnehin magst und oder spielst, wenn dein Herz für Mittelerde schlägt, wenn du die Legende leben willst, dann ist dieses Buch für dich. Besuche Moria. Wer möchte nicht auch einmal «Flieht, ihr Narren!» rufen und zum Base Jumping in des Balrogs Wohnzimmer ansetzen?
Free Solo
Ab Seite 189 folgen rund dreissig Seiten Solo-Modus! Wer keine Gruppe hat, wer sich allein nach Moria begeben möchte, wer das Erlebnis ganz tief in seinem eigenen Kopf in Stille geniessen will, der kann mit dem sogennanten «Strider Mode», also dem Streichermodus, das Buch als Solo-RPG nutzen. Da heisst nicht unbedingt, dass dein Charakter mutterseelenallein durch Moria stolpern muss, denn du stellst dir deine eigene Gruppe von Gefährten zusammen und unternimmst Mission nach Mission, um Moria zu erkunden und zu kartografieren. Die Regeln klingen nicht unkomplex, aber auch spannend.
Fazit
Monumental.
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