Extraterrana Cthulhiana ist ein deutsches Werk aus der Schmiede von Pegasus Spiele. Es enthält fünf ausserirdische Abenteuer, die zusammen eine Kampagne ergeben können.
Das Konzept des Bandes sind Abenteuer, welche nicht auf der Erde stattfinden. Und dies ist gleichzeitig meine Faszination an dem Buch, wie auch dessen wunder Punkt. Gleich mehr dazu. Mit Ausnahme eines Abenteuers, kann jedes an einem Abend durchgespielt werden. Insgesamt sollte es etwa sechs bis sieben Abende zu spielen geben.
Es folgen leichte Spoiler. Die Abenteuer sind so aneinandergenäht, dass sie auch als Kampagne gespielt werden können sollen. Dabei gibt es seltsame Ausflüge auf den Mond, in die Nautilus (ja, die!), auf einen kosmischen Jahrmarkt mit Geisterbahn und Clowns und ins Wohnzimmer von Azatoth, dem Idiotengott. Der Jahrmarktteil erinnert mich unweigerlich an das D&D-Adventure «Wildnis jenseits des Hexenlichts», wofür es nichts kann und was durchaus positiv ist.
Was es ist
Das Buch ist ein Hardcoverband mit Lesebändchen und 168 Seiten Inhalt. Es enthält vorgefertigte Charaktere und eine einleitende Beschreibung, wie man Cthulhu-Abenteuer abseits der Erde spielt, respektive leitet. Wie erwähnt: eine Kampagne, fünf Abenteuer, wenn man denn so will. Oder einfach vier One-shots und ein längeres Abenteuer, die in bestehende Verwicklungen eingefügt werden können, wie ich es wahrscheinlich mit der ersten Geschichte «Schicksalhafte Zusammenkunft» tun werde.
Es gibt eine besonders grosse Menge Mythos, weil auch mit Älteren Wesen gekämpft werden darf und man kommt Azatoth und Nyarlathotep so nahe, wie sonst kaum. Das zweitletzte Abenteuer «Schöne neue Welt» (Brave New World) erinnert mich an eine Mini-Version von «Mountains of Madness», was auch hier wieder nach Karikatur riecht, angesichts der kleinen Seitenzahl, auf denen die Geschehnisse aufgeführt sind. Verglichen mit den monumentalen Ausmassen der erwähnten grossen Kampagne «Die Berge des Wahnsinns».
Was mir daran gefällt
Es versucht anders zu sein als bisherige deutsche Cthulhu-Publikationen. Das Werk versucht etwas Neues. Es legt eine Schippe drauf – und daraus wird ein Drahtseilakt. Mir gefiel sofort der Erweiterungsaspekt. Ich dachte, ich kaufe mir das Weltraummodul zu Cthulhu und das ist zumindest teilweise wahr. Zum Beispiel gibt es einen Abschnitt zum Weltraum-Met, dessen Beschreibung ich in der Kampagne «Masken des Nyarlathotep» so verzweifelt suchte.
Es bietet wirklich schräge und aussergewöhnliche Drehungen und Windungen, die genau deshalb surreal wirken. Wer das mag, kommt auf seine Kosten. Mehr noch als sonst bei Cthulhu-Kaufabenteuern. Wer es gerne straight und bodenständig mag, wird hier jedoch viel Stirnrunzelpotenzial finden.
Was mir brutal gut daran gefällt, sind die Illustrationen meines Lieblingsillustratoren Victor Leza. Insbesondere deshalb, weil ich Heiko Gill einmal fragte, wieso immer diese alten Fotos verwendet werden und er diese darauf als Plus für die deutschen Publikationen hervorhob. Mir gefallen allerdings diese extra aufwändig erstellten und für dieses Buch individuellen Kreationen so viel besser. Es gibt einem Buch diesen Comic-Sammler-Touch, weil es nicht einfach generische Fotos sind, die meist nicht einmal mit den im Buch stehenden Beschreibungen übereinstimmen.
Diese Illustrationen und der Weltraum-Met allein hatten es geschafft, mich das Buch auf die Ladentheke legen zu lassen und es heimzunehmen. Dazu spannende Ideen, comic-haft erzählt. Love it.
Was mir daran nicht gefällt
Geklaute, weirde Sachen wie Käptn Nemo. Ja, die Nautilus und Nemo kommen in dem Buch vor. Eine lustige Idee, am Ende aber ordentlich abgekupfert. Trägt zur Weirdness bei, gibt an Qualität ab. Und somit kommen wir zum grössten Manko. Achtung, Spoiler, nicht weiterlesen!
Jetzt hast du doch weitergelesen. Ich hoffe, du bist Spielleitung und verdirbst dir nicht den Spass. Nyarlathotep ist der Antagonist der «Kampagne». Der Grosse Alte Nyarlathotep mit den tausend Gesichtern. Der übermächtige Herold der Götter wird in diesem Band zu einem Batman-Joker-Gegenspieler. Ein hinterhältiger, fieser, magiebegabter Illusionist. Irgendwo im Text steht, dass man ihn auch mit einem bösen Magier ersetzen kann. Und genau das würde ich empfehlen.
Der gute alte Nyarli ist mir dafür echt zu schade, zumal wir gerade «Die Masken des Nyarlathotep» spielen, wo seine Existenz ein unglaublich diffuses Mysterium für die Spielenden darstellt. Hier kommt er einfach dahergelatscht und spielt ein bisschen mit einer Gruppe Investigatoren, zusammengepfercht auf sechs Abende Spass. Bei den Masken geht es wesentlich weltlicher zu und dauert in Echtspielzeit gut und gerne zwischen zwei und vier Jahren.
Damit kommen wir zum Haupthühnchen, das ich mit Extraterrana Cthulhiana gerupft haben will: die Geschichten sind zu komprimiert. Das ist ein Sirup, ein Extrakt, ein Konzentrat, das viel Wasser hätte vertragen können. Stattdessen wirkt es als im Comicstil karikierte Version dessen, was es hätte sein können, was es sein will, was es hätte sein müssen. Es hilft, dass es so weird ist, denn das passt. Aber ich werde nicht grün damit.
Das Buch will psychologische Tricks anwenden. Es will bewusst «weird» sein. Diese psychologischen Tricks holen mich alten Hobbypsychologen auch ab. Allerdings ahne ich schon beim Lesen, dass die Spielenden nur die Hälfte davon bemerken, verstehen und goutieren werden. Nicht, nachdem sie den Twist von «Das Geheimnis des Schwarzwaldhofs» so gar nicht feierten.
Fazit
Es ist ein aussergewöhnlicher Band mit aussergewöhnlichen Abenteuern. Es erfüllt also, was es sein will. Mein einziger Kritikpunkt ist, dass es eben zu viel will. Besonders dafür, dass es ein kurzer Band mit so vielen Abenteuern ist, in denen so viel passiert. Es scheint mir, als würde es mir den Cthulhu-Mythos, der sonst so sparsam über so viele Bücher verteilt wurde, als konzentrierter Ingwer-Shot in den Rachen kippen. Und ehrlich gesagt, ist mir das etwas zu scharf.
Die eigens für Extraterrana Cthulhiana angefertigte Bebilderung hingegen, wünschte ich mir für jeden Cthulhu-Band, da lohnt es sich, das Buch allein schon wegen des Artworks zu kaufen. Ich bin kein Comic-Sammler – aber so könnte ich es unter Umständen noch werden.
Mir gefällt die Idee des Bandes und auch so manches an der Ausführung, aber vielleicht ist es besser für den Cthulhu-Mythos und insbesondere für so manche Spielrunde, mit den Füssen auf dem Boden zu bleiben.
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