Abenteuer zweimal spielen

Abenteuer zweimal spielen

Kann ich als Spielleitung ein Abenteuer zweimal leiten? Ohne Problem. Wahrscheinlich wird es dadurch sogar besser, weil ich weniger unsicher bin. Kann ich als Spielender ein Abenteuer zweimal spielen? Da scheiden sich die Geister und ich bezweifle, dass es sinnvoll ist.

Habe ich ein Abenteuer gespielt, sind dem Charakter unbekannte NSCs mir als Spieler schon bekannt. Ich erinnere mich an Meilensteine und Wegpunkte, ich kenne die Lösung von Problemen. Damit ich das alles ausser Acht lassen und den NSC verkörpern kann, als hätte er keine Ahnung von all dem, da müsste ich doch der beste Rollenspieler der Welt sein. Wer behauptet, das zu sein und behauptet, das zu können, lügt. Behaupte ich. Denn es gibt keine natürliche Lösung dafür, mit bekanntem Wissen umzugehen.

Wenn ich weiss, dass dort der Eingang in die Höhle ist, und dass dort drei Goblins warten, warum sollte ich dann auf der anderen Seite am Fluss suchen? Eben. Und wenn ich schnurstracks dorthin steuere und auf die Goblins vorbereitet bin, dann ist das geschummelt, denn mein Charakter weiss weder, wo der Eingang ist, noch dass da Goblins warten.

Tue ich als Spielender nichts, weil ich zu viel weiss, dann ist das nicht natürlich. Denn ein Unwissender Charakter würde etwas tun. Tue ich absichtlich etwas Falsches, dann ist das nicht natürlich und liegt nur daran, dass ich zu viel weiss. Tue ich bewusst das Richtige, weil ich zu viel weiss, dann ist das nicht natürlich. Warum spiele ich also ein zweites Mal das gleiche Abenteuer? Das macht überhaupt gar keinen Sinn.

Vielleicht liegt meine Abwehrhaltung auch sehr stark daran, dass ich auf Erzählungen und Mystery stehe. Denn geht es einem um das Charakterspiel, dann kann ich alles mehrmals spielen. Andere Gruppen und andere Charaktere lösen Dinge anders, tun zwischendurch andere Sachen und verhalten sich anders.

Bist du ein Gamist, dann spielst du unfair, denn kennst du das Abenteuer schon, kannst du es besser «gewinnen». Und bist du ein Narrativist, wie ich grösstenteils einer bin, dann geht das gar nicht, denn du weisst genau, wo es hingeht. Die Spannung ist weg und deine Aktionen sind nicht deine Aktionen. Stell dir vor, du würdest Teile deines Lebens erneut leben, dann könntest du Dinge vorwegnehmen, den Verlauf des Geschehens durch deine Aussagen und Aktionen ändern. Hier entsteht sozusagen das Zeitreiseparadoxon.

Kenn ich den Ausgang der Geschichte, gibt es kein Mysterium. Kann ich den Ausgang verändern indem ich handle oder mich enthalte, betreibe ich Metagaming. Ich komme eigentlich gar nicht darum herum, Metagaming zu betreiben.

Darum will ich auch als Spielleitung mit niemandem ein Abenteuer spielen, der dieses schon gespielt hat. Es ist wie Blackjack spielen, wenn ich als «die Bank» mit offenen Karten spielen müsste. Da habe ich keine Lust drauf, weil es keinen Sinn macht. Dazu kommt, dass die Person den direkten Vergleich machen kann: Beim letzten Mal war das aber anders.

Es gibt genau einen Fall, wo ich mir das vorstellen kann: mit vertrauten Spielenden, denen es nicht ums Gewinnen geht, sondern denen es darum geht, einen friedlichen gemeinsamen Abend zu erleben und auszuloten, was geschieht, wenn ein anderer Charakter in die gleiche Situation gerät. Das wäre spannend.

Ich möchte erfahren, wenn es neue Artikel gibt!

Kommentare

3 Antworten zu „Abenteuer zweimal spielen“

  1. Avatar von Sadric
    Sadric

    Schon mal ein Film zweimal gesehen, oder ein Buch zweimal gelesen? Ich finde es sehr interessant ein Abenteuer zweimal oder auch dreimal zu spielen mit anderen Spielern /SL zu spielen. Viele Spielleiter improvisieren, legen Wert auf unterschiedliche Aspekte, überspringen Szenen oder ändern NSC’s. Auch Spieler beeinflussen die Geschichte. Es ist also nicht denselben Film nochmal schauen sondern eher ein Remake. Und wenn die Goblins warten dann wird mein Charakter eben nur misstrauisch wenn der SL entweder andeutet das Fußspuren in Richtung Fluss sichtbar sind, oder ich meinen Wurf auf wahrnehmen schaffe. Oder wenn der Jäger im Wald erzählt hat das es auf der anderen Seite des Flusses nicht geheuer ist.

  2. Avatar von Rufus
    Rufus

    Nun, Dein letzter Absatz sagt eigentlich schon alles…. „mit Freunden, in vertrauter Runde, … es geht nicht ums gewinnen“
    Ja genau…. und das ist kein Sonderfall, sondern ist/ sollte die Regel sein. Rollenspiel ist nicht auf gewinnen oder „Wir gegen den Spielleiter“ ausgelegt.
    Und von daher spricht m.E.n. auch nichts grundsätzlich dagegen als Spieler ein Abenteuer zweimal zu spielen.

    Natürlich hast Du einen Punkt, wenn es um Überraschungen, Plottwist und Mysterien geht. Das macht zwangsläufig einiges kaputt.

    Aber ein GRoßteil Deiner Argumentation basiert auf einem sehr gamistischen Spielverständnis….. „gewinnen wollen“. Das macht aber nur einen Teil – wenn überhaupt – des Rollenspiels aus. Selbst wenn ich das Abenteuer nicht kenne, habe ich „Spielerwissen“, dass ich von meinem „Charakterwissen“ trennen muss/sollte. Das ist letztlich nichts anderes.

    Ein Weiterer Punkt ist natürlich die „fälschliche“ Annahme, dass Abenteuer immer linear als Railroading ablaufen und von daher vorhersehbar seien. Das mag für einen OSR Dungeoncrawl zutreffen, jedoch längst nicht für alle Rollenspielabenteuer.

    Ich habe als Spielleiter schon einige Abenteuer mehrmals gespielt (unterschiedliche Gruppen) und sie haben sich teils bis zur Unkenntlichkeit voneinander unterschieden, weil die Spieler völlig andere „Takes“ auf das Geschehen hatten.

    Kürzlich habe ich in einer Runde ein altes DSA Abenteuer gespielt. Es war in einem anderen System und die Spieler wussten es auch nicht vorher. Im Nachhinein war ein Spieler völlig verdutzt, weil er das Abentuer eigentlich kannte und sich noch gut daran erinnern konnte, es aber hier nicht erkannt hat. Selbst am Ende hat er den Plottwist nicht wieder erkannt. Einfach nur weil Begegnungen mit NSC anders abgelaufen sind und somit eine etwas andere Geschichte entstanden ist, obwohl der finale Plottwist erhalten blieb.

    Es ist doch häufig so, dass Abenteuer viele Optionen anbieten, wo man als Spielleiter denkt: „Da hättet Ihr noch das….. oder …. mit dem hätte man…..“ Warum dann nicht die Möglichkeit nutzen, es auch mal anders zu machen. Insbesondere, wenn die Spieler es vorher nicht explizit gesagt bekommen und das Rahmensetting etwas abgewandelt wird, entsteht sehr wahrscheinlich etwas völlig Neues.

  3. Avatar von Dennis

    Geht mir auch so. Dasselbe AB mehrfach leiten ist okay, aber mehrfach spielen? Höchstens, wenn es durch andere Aktionen einen ganz anderen Ausgang gibt.

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