denizens of the dark wood

Mittelerde Rollenspiel, Überfall im Düsterwald (Rezension)

Überfall im Düsterwald (zu englisch «Denizens of the Dark Wood») enthält drei einfache Abenteuer, die nacheinander oder unabhängig gespielt werden können.

Dieses Abenteuermodul für MERS (oder englisch MERP) ist old-school, nicht OSR. Denn als dieses Büchlein erschien, war OSR noch in weiter Ferne. Der Band ist 1989 erschienen. Da war ich noch ein Kind. In den 80ern wurden mit Filmen noch fantastische Geschichten erzählt (Ghostbusters, Die unendliche Geschichte, Gremlins, E.T., Indiana Jones uvm.). Heute ist es ja oft nur noch Action, Geballer und hollywoodsche Gefühlsmanipulation; die Story lässt sich meist in zwei Sätzen zusammenfassen.

Dementsprechend waren auch Spiele damals noch einfacher und weniger sensationell aufgezogen. Orks waren noch exotisch, Riesenspinnen gruselig, Mittelerde ein anderer Planet. Heute ist Mittelerde danke den LotR-Filmen ein allen bekannter Ort, Riesenspinnen sind nur grosse Ausgaben echter Tiere und darum «lame», Orks sind die naheliegendsten Fantasy-Gegner. Alles musste immer actionreicher, komplexer, noch-nie-dagewesener werden. Deshalb wirkt «Überfall im Düsterwald» 36 Jahre später etwas gar simpel gestrickt.

Das grosse Plus dabei ist, die Abenteuer sind einfach zu überblicken und darum einfach zu leiten, ohne viel Vorbereitung. Sie sind für schwache bis mittlere Charaktere ausgelegt. Im Anhang sind neuen (!) vorgefertigte Abenteurer (damals war noch nichts mit gendern) versammelt. Ein Wasa-Krieger, ein Gondor-Krieger, ein Zwergen-Kundschafter, ein Dunadan-Waldläufer, ein Dorwinadan-Animist, ein Sinda-Elben-Magier, ein Gondor-Magier, ein Waldelben-Barde und Beorninger-Barde. Die Geschichten können zusammenhängend gespielt werden, müssen aber nicht. Das grosse Thema lautet: «Wer hat Angst im dunklen Wald?».

denizens of the dark wood orc
Bild: Queen-Carroms

Viel Liebe

Ich liebe das Cover dieses Bandes. Hatte es schon für den Artikel «Sind Orks nur grüne Menschen?» verwendet. Nun aber zugunsten dieses Artikels geändert. Doch habe ich das Originalbild bisher nicht gefunden, gäbe es dieses als Druck des Originalwerkes, ich würde es mir an die Wand hängen.

Überhaupt liebe ich alles daran, ein Büchlein in der Hand zu halten, das schon fast Kultstatus hat, das es nicht mehr neu aufgelegt gibt und das ein Stück Kulturgeschichte des Rollenspiels ist. Ich mag Zeitzeugen über alles.

Die Illustrationen sind schwarz und weiss, Linienzeichnungen, auch die Karten sind sehr einfach gehalten, dafür übersichtlich. Mich erinnert das Layout an Midgard 5, das auch heute noch diesen Old-school-Vibe verbreitet. Mit Midgard 6 ist das nun definitiv vorbei, siehe die Rezension zu «Die Umstürmten».

Fun Fact: Ganz hinten im Buch ist Werbung für die Veröffentlichungen des Mittelerde-Rollenspiels drin. Als erstes unter «Neu:» ist das Abenteuer «Überfall im Düsterwald» aufgeführt. Meta!

Atterkopp! Atterkopp!

Ein wahrlich seltsamer Name für ein Abenteuer. Es werden Abenteurer gesucht, weil kürzlich fünf Angehörige auf der Reise nach Norden ins nächste Dorf verschwunden sind. Die Abenteurer sollen untersuchen, was geschehen ist.

MERS war noch simulationistischer. Da konnte man sich in einem Abenteuer noch verirren oder verdursten. Das würde heute jeden D&D-Spieler sehr erzürnen. So etwas käme einer Hochglanz-Streaming-Show sehr quer, wenn ihr auf Leistung getrimmter Superheld Orientierungsschwierigkeiten hätte oder gar Schaden nähme, weil er zu wenig Wasser bei sich trüge.

denizens of the dark wood troll
Bild: Queen-Carroms

Trollplage

Das Abenteuer «Trollplage» verrät schon im Titel, was Sache ist. Mittelerde ist halt geerdeter als zum Beispiel D&D. Auch heute gibt es noch Abenteuer, die darauf basieren, sich mit Trollen anzulegen, weil sie Ärger machen. Warum auch nicht?

Auch hier wurden auf einer Strasse immer wieder Fahrende und Händler aufgerieben, sodass ein Kaufmann eine ziemlich hohe Belohnung aussetzt, wenn Abenteurer im helfen, die Plage zu beseitigen.

Tribut an Dol Guldur

Das dritte Abenteuer «Tribut an Dol Guldur» ist definitiv das Heftigste. Ein Typ wie Beorn, der Grimbold heisst, sucht Mitstreiter für die Mission in eine Ork-Feste. Ich muss die Story noch einmal im Detail lesen, aber das Vorhaben scheint mir doch sehr auf der tödlicheren Seite zu sein. Das Abenteuer besteht grösstenteils aus dem Infiltrieren und Erkunden der Räumlichkeiten, so wie ein überirdischer Dungeon, und dem Kennenlernen verschiedener Orkkrieger und ihren Funktionen in der Armee. Die Funktionen tragen alle orkische Namen.

Fazit

Es ist alt, es ist schön, es ist einfach. Spielende müssen es schon wollen. Wer sich auf ein Abenteuer einstellt, dass sophisticated ist und mit nie dagewesenen Kreaturen aufwartet, wird enttäuscht sein. Es warten keine Plottwists. Hier gibt es nur ehrliche Mittelerde anno 1989 zu erleben. Wer sich darauf einstellt oder gar freut, darf hier einen Klassiker und eine Zeitreise erleben.

Ich bereue es nicht, mir das Buch geholt zu haben, denn ich mag es sehr. Ob ich es je spielen werde, kann ich noch nicht sagen. Die Abenteuer würden aber in jedem Fantasysetting gut als kleine Sidequests funktionieren. Das hier ist ein echter Oldtimer, ein Zeitzeuge, ein Evergreen.

Ich möchte erfahren, wenn es neue Artikel gibt!

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