Metagaming ist, wenn ausserspielisches Wissen ins Rollenspiel einfliesst. Wo die Grenzen sind, ist hart umstritten.
Metagaming ist die Benutzung von Informationen, die in-game nicht verfügbar sind. Also zum Beispiel Wissen, das erst später in der Geschichte erarbeitet wurde. Oder auch abstrahierte Anteile der Welt in der man spielt, wie die Werte von Spielercharakteren, NSCs und Monstern.
Die (Streit-)Frage ist immer, wo Metagaming anfängt und wo sie aufhört. Dabei fällt mir auf, dass der Typ Gamer weniger Probleme mit Metagaming hat. Schliesslich geht es ums Gewinnen, um Optimierung und darum Werte schlau einzusetzen. Storyteller und Simulationistinnen haben mehr Mühe mit Metagaming, da unrealistisches Wissen den Lauf der Geschichte unrealistisch verändert oder gar die Immersion der Simulation zerstört.
Der Gamer ist es gewohnt, dass er den Level-Endboss in einem Muster schlagen muss. Zuerst in die linke Ecke, weil der Feuerodem des Gegners dort nicht hinkommt, dann über die Explosion springen und zweimal zuschlagen. Dann ganz nach rechts und warten, bis der Gegner Pause macht, dann von hinten einmal zuschlagen und wieder von vorne. Solche Mechaniken bei Videospielen sind so unrealistisch und immersionszerstörend, wie es nur geht, aber sie haben uns zuverlässig durch sämtliche Jump’n’run-Games der Neunziger gebracht, ohne zu verzweifeln.
Die Grenzen des Metagaming
Eine klare Grenze, die wohl niemand abstreiten wird, ist das Vorwissen einer Spielerin oder eines Spielers, weil er das Abenteuer schon kennt. Wenn du weisst, wo der Schatz zu finden ist, wie viele Gegner auf dich warten und wie du diese besiegst, dann ist die Luft raus. Wenn du diese Informationen dann nutzt, um das Spiel zu «lösen», dann bist du im wahrsten Sinne des Wortes der «Spielverderber». Und selbst, wenn du es schaffst, dich in der Rolle deines Charakters dumm zu stellen, wie gehst du dann mit Vorwissen um? Läufst du absichtlich an einem Hinweis vorbei? Oder nutzt du dein Metawissen? Beides irgendwie doof.
Wissen zu den Vorlieben der Spielleitung sollte ebenfalls nicht ins Spiel einfliessen. «Unser GM hasst Rätsel und Fallen, darum können wir sicher sein, dass auch im nächsten Raum Zombies auf uns warten.» Solches Metagaming lässt sich kaum vermeiden, aber woher soll dein Charakter wissen, was dein IRL-GM für Vorlieben hat?
Ein Waldläufer kann wissen, wo ein Eulenbär zu finden ist, weil er sich mit den Wesen auskennt. Aber er kann nicht wissen, wie viele Lebenspunkte dieser hat. Er kann vielleicht einschätzen, ob der Eulenbär hart im Nehmen und widerstandsfähig ist oder nicht, aber er kann nicht einschätzen, ob dieser noch drei oder fünf Hitpoints hat.
Achtung, jetzt wird es pingelig! Nimmt man es ganz genau, ist auch der Austausch in der Gruppe der Spielenden abseits der Charaktere in der direkten Handlung Metagaming. Denn in der Spielwelt könnten sich praktisch nur die Charaktere beraten, die am selben Ort sind und das zu lösende Problem kennen. Sind zwei Charaktere vor Ort, aber fünf Spielende beratschlagen, dann bewegt sich das zwischen Meta- und Powergaming. Wir möchten ja gewinnen, darum lenken wir das Schicksal als Götter aus dem Off.
Handys weg beim Rollenspiel
Für mich gibt es wenig Schlimmeres, als wenn Spielende am Tisch googeln. Wenn ihr Charakter etwas wissen soll, dann soll gefragt oder darüber gesprochen werden, ob dieser das wissen kann. Wenn der Charakter es nicht weiss, dann muss es auch die Spielerin nicht wissen. Das verleiht ihrem Spiel dann eine gewisse Echtheit. Nicht unbedingt, weil ich der allmächtige Allwissende am Tisch sein will, sondern weil es beinahe unmöglich ist, Informationen nicht unbewusst ins Spiel einfliessen zu lassen, wenn der Spieler gerade den Wikipedia-Eintrag zu einem Thema gelesen hat.
Pen-and-Paper-Alleswisser
Es ist schon schwierig genug unser TV-Wissen vom Wissen einer Fantasy-Welt zu abstrahieren. Antibiotika, Elektrizität, mechanische Hebel und die Fähigkeit zu lesen… kaum denkbar, dass wir einen Charakter ohne dieses Wissen spielen. Der wäre dann in unseren Augen dumm. Nur hätte ich ohne CSI New York so ziemlich gar keine Ahnung von Kriminaltechnik. Und das, was ich darüber zu wissen glaube, ist wahrscheinlich nur Hollywood und für echte Kriminologen kompletter Blödsinn.
Wenn wir ehrlich sind, spielen wir am Ende meist schlaue, gebildete, fernsehschauende, googelnde und Wikipedia lesende Personen aus dem 21. Jahrhundert, auch wenn wir im viktorianischen England sind. Sind wir Soldaten während der französischen Revolution, kennen wir trotzdem schon Militärstrategie von zwei Weltkriegen und verstehen fliessend Englisch. Dies, obwohl viele Menschen damals noch nicht einmal des Lesens mächtig waren, weil die Schulpflicht noch in weiter Ferne lag.
Immer nur in-game
Vermeiden lässt sich Metagaming grösstenteils, indem (wann immer möglich) nur in-game gespielt wird. Wenn Charakter diskutieren, nicht aber die Spielenden, vermischt sich das Wissen nicht so leicht. Wenn die Charaktere im Fantasy-Setting unterwegs sind, dann haben sie kein Internet und keinen Uni-Abschluss, der ihnen sagt, dass hinter dieser Steinmauer ein Hohlraum sein muss, weil im 13. Jahrhundert so gebaut wurde.
Wenn du dich in jeder Sekunde des Spiels «What would my character do?» und «What would my character know?» fragst, dann ist es beinahe unmöglich Metagaming zu betreiben. Denn eins ist schon einmal sicher: Dein Charakter weiss so ziemlich gar nichts über Rollenspiel.
Übrigens: Ist man richtig gut im Metagaming, dann macht man das Spiel damit nicht kaputt, sondern kann es nutzen, um das Spiel und die Geschichte besser zu machen, aber dazu braucht es schon einen Doktortitel in Rollenspielologie.
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