Wie erreiche ich mehr Player Involvement im Rollenspiel? Mehr Hingabe, Einsatz und Feuer der Spielenden bekommt man durch… Ich weiss es ehrlich gesagt nicht. Vielleicht durch dieses Pladoyer?
Ich bin Spielleiter, weil ich von Rollenspiel besessen bin. Ich lese, höre und schaue nonstop Rollenspielcontent, kaufe Bücher für hunderte Euronen und denke ständig über laufende Kampagnen, anstehende One-shots und Rollenspieltheorie nach. Spielende sind von Natur aus nicht ganz so tief drin. Dennoch wäre es wünschenswert, sie würden tiefer eintauchen. Es ist schliesslich euer Hobby!
Stunden der Vorbereitung
Vielen Spielenden ist gar nicht bewusst, dass ein passender Soundtrack von drei Minuten Länge vielleicht eine ganze Stunde Musik hören, raussuchen und bearbeiten bedeutet. Dass ein gezeigtes Bild eines NPCs manchmal eine ganze Stunde Bilder googeln, Namen suchen, Stimmlage und Eigenschaften überlegen, sich hineindenken bedeutet. Dass ein Abenteuer zu leiten, bedeutet, es zu lesen, es zu verstehen, sich Notizen zu machen und es in Gedanken bereits durchzugehen. Wie starte ich die Session? Was soll herausstechen? Schreibe ich eine Zusammenfassung der letzten Session mit den Stichworten vom letzten Mal?
All das, die Vor- und Nachbereitung zwischen zwei Sessions, die jeweils zwei Wochen auseinanderliegen, macht zusammengerechnet an die sechs Stunden Vorbereitung pro Session. Das ist grob geschätzt. Dazu zählt noch nicht, dass ich Bücher gegoogelt, Podcasts gehört, Blogs gelesen, Blogs geschrieben und mir Plots ausgedacht habe. Also Dinge, die ich nicht nur für diese laufende Kampagne, sondern sonst tue. Aber all das brauchts, damit ich ein halbwegs interessierter Rollenspieler und interessanter Spielleiter bin.
Zähle ich das alles auch hinzu, komme ich bestimmt auf zehn Stunden Vorbereitung für eine gut vorbereitete Session. Dann spielen wir noch rund drei Stunden, inklusive Aufbau, Tee kochen, Begrüssung und Entsorgung der Flaschen und Dosen und Chipspackungen nach der Session. Wenn ich nun diese 13 Stunden mal 25 Sessions rechne, die wir in der aktuellen Kampagne gespielt haben, dann sind wir bei 325 Stunden, die ich dafür aufgewendet habe. Und das ist erst die halbe Kampagne.
Casual Player
Nun gibt es, zum Glück nicht nur, diese Spielerinnen und Spieler, die sich nur mit Rollenspiel beschäftigen, während sie am Tisch sitzen. Sie spielen gerne, aber sind sonst nicht im Hobby. Die sogenannten Casual Players. Sie diskutieren und konsumieren sonst kein Rollenspiel. Sollten sie sich fünf Zeilen Hintergrundgeschichte ausdenken, haben sie dafür keine Zeit oder sind überfordert. Oder sie vergessen es einfach zu tun. Das ist sogar irgendwie nachvollziehbar, denn Rollenspiel ist so weit weg vom realen Leben. Doch für die Spielleitung ist das halt auch ein bisschen sehr deprimierend angesichts der oben erwähnten Stunden.
Diese Spielenden haben es dann in zwei Wochen auch nicht geschafft, die beiden Werte zu steigern, die sie hätten steigern sollen. Sie denken zwischen den Sessions nicht über das Spiel oder ihren Charakter nach und lagern das Charakterblatt und die Würfel, die sie von der SL geschenkt bekamen, am liebsten auch gleich beim Spielleiter zu Hause. Macht am wenigsten Aufwand. Kann nicht vergessen werden. Zwischen den Sessions mache ich sowieso nichts damit.
All das ist nachvollziehbar als beschäftigter, erwachsener Mensch. Aber auch frustrierend für Freaks wie mich. Das ist wie diese Klavierschülerin, die zwischen zwei Unterrichtsstunden nicht übt. Weil sie vergisst zu üben, weil sie nicht süchtig nach Klavierspielen ist, weil sie «Wichtigeres» zu tun hat.
Mehr Player Involvement
Rollenspiel ist kein Brettspielabend, es braucht mehr Involvement. Sich mehr zu involvieren bedeutet, nicht nur am Tisch Rollenspiel zu mögen, sondern auch dazwischen. Sich einen Charakter zu bauen, der einem Freude macht, auf den man stolz ist. Mit dem man eine Mission hat, mit dem man etwas vorhat. Der eine Geschichte zu erzählen, zu erleben hat. Die Gruppe ist nicht ein zusammengewürfelter Haufen, sondern eine Clique, die durch dick und dünn geht. Ein A-Team, in welchem jede und jeder eine Rolle zu erfüllen hat.
Sich zu involvieren bedeutet ebenso, sich für Sessions Zeit zu nehmen und pünktlich zu erscheinen. Auch vorbereitet zu erscheinen. Wer nur jedes dritte Mal dabei ist und dann auch nur eine Stunde Zeit mitgebracht hat, der kann nicht smalltalken und eintauchen und vorwärtskommen. Wer nur jedes dritte Mal dabei ist, kommt ohne Ahnung, worum es eigentlich geht und ging. Ohne Ahnung von den Regeln, von der Geschichte, von seinem Charakter. Casual eben.
Sich zu involvieren bedeutet, mitzugestalten. Als Spieler bin ich nicht Konsument, sondern Teil des (Künstler-)Kollektivs. Ich gestalte mit meinem Charakter die Welt und die entstehende Geschichte. Diese würde anders verlaufen, wenn ich nicht durch meinen Charakter und seinen reich ausgestalteten Hintergrund darauf einwirkte.
Sich zu involvieren bedeutet, sich auch vorzubereiten. Nicht nur der GM, DM oder SL muss sich auf eine Session vorbereiten, sondern auch die Spielenden. Das zeugt von Interesse, Leidenschaft und Respekt.
Was soll das bringen?
Es ist wie mit jedem Hobby. Richtig Spass macht es erst, wenn man bis zum Hals drinsteckt. Wenn man viel hat, viel kann und viel weiss. Wenn man es auskosten und herumnerden kann. Wenn man es miteinander teilt. Wenn man zwischen den Sessions über das reden kann, was war, was man vorhat, was sein könnte. So haben wir es früher mit der Musik gemacht. Wir haben sie gehört, besucht, besprochen, gemacht und gekauft. Wenn das Feuer der Leidenschaft in deinem Inneren brennt und mehr verursacht, als zwei Stunden vor einem Blatt Papier mit Chips und Bier alle zwei Wochen …
Richtig gut wird es erst, wenn Immersion geschieht, wenn dein Gehirn an im Spiel Erlebtem herumdenkt. Wenn du ganze Landstriche rettest und Heldentaten vollbringst, die noch in hundert Jahren besungen werden. Wenn der Name deines Charakters Unsterblichkeit erlangt, weil seine Taten so gigantisch waren, dass niemand, der dabei war, sie je vergessen kann, dann erschaffst du wahres Rollenspiel. Mit einem echten Mehrwert. Wie beim Orchester, wie beim Sport – Player Involvement ist alles. Wenn nur der Trainer, nur der Dirigent für die Sache brennt, ist das nicht nur schade, sondern ein grosser Verlust. Get your head in the game – and keep it.


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