Faraos Cigarer Copenhagen

Lobpreiset skandinavische Rollenspielläden

In Schweden, Dänemark und Norwegen Rollenspiel zu betreiben, muss eine beglückende Angelegenheit sein. In diesen Ländern floriert die Nerdkultur, trotz tiefer Einwohnerzahlen und eigenen Sprachen.

Die drei genannten skandinavischen Länder haben je zwischen 5,5 und 10,5 Millionen Einwohner. Jedes Land hat eine sehr eigene Sprache, die sonst niemand auf der Welt spricht. Wie kommt es, dass ein Nischenprodukt namens Rollenspiel hier trotzdem bestens funktioniert?

Rollenspielläden haben es schwer. Bücher werden immer teurer, gekauft werden immer weniger davon. Viele Publikationen werden nur noch im Online-Shop oder gar als PDF gekauft. Wie soll ein Liebhaber-Shop voll mit Würfeln und Rollenspielbüchern da überleben können? Ich habe die Antwort nicht.

Fakt ist, dass es bei uns nur ganz wenige Läden in diesem Bereich gibt. Meistens sind es Gemischtwarenläden, die mit viel Herzblut improvisiert sind, damit sie von all dem Nerdkram wenigstens halbwegs überleben können. Nicht so in Skandinavien!

Faraos.dk

In der dänischen Hauptstadt Kopenhagen gibt es nicht einen, nicht zwei und nicht drei Läden mit dem Namen «Faraos Cigarer», sondern gleich sieben. Dabei befinden sich fünf davon in derselben Strasse. Einer ist auf Manga, ein anderer auf Comics spezialisiert, einer auf LARP, einer auf Kartenspiele wie Magic und Pokémon, einer auf Sammelfiguren, einer auf Nerd-Merchandise und einer eben auf Rollenspiel und Brettspiel. Ein Traum! Der Name «Faraos Cigarer» stammt übrigens vom gleichnamigen Tim-und-Struppi-Comic.

Auf die Frage, wie sie das denn überhaupt machen könnten, sagt der Verkäufer: «Die Nachfrage ist riesig. Zuerst sind in Dänemark Brettspiele plötzlich unglaublich populär geworden, jetzt erfahren die Rollenspiele eine Renaissance. Nähme man all unsere Läden in einem Gebäude zusammen, wären wir gar ein Nerd-Einkaufscenter.» Das sagt der Mann, der den ganzen Tag nur Rollenspielbücher sortiert und Leute darin berät, nicht ohne Stolz.

Zurecht! Jedes Mal, wenn ich diesen Laden betrete, geht mein Puls hoch. Eine ganze Wand, vom Fussboden bis zur Decke, voll mit Rollenspielbüchern. Alles, was ich aus dem Internet kenne, direkt vor mir, gedruckt und gebunden. Ein Schlaraffenland für Pen-and-paper-Enthusiasten. Mitten in der Innenstadt der Hauptstadt des Landes. Bam!

Gäbe es bei uns so einen Laden, ich würde jede Woche einmal mit glänzenden Äuglein vor den Regalen stehen und mir Dinge kaufen, die ich auf keinen Fall brauche. So, wie ich das als Jugendlicher in den Abteilungen mit Konsolenspielen und später im Plattenladen getan habe.

Schweden: eine League für sich

Dass Free League Publishing (orginal: Fria Ligan) als schwedischer Verlag reihenweise Qualitätsrollenspiele raushauen kann, will auch etwas heissen. Dazu, ich habe es mehrfach erwähnt, hatten sie mit Boel Bermann die beste PR-Frau im Rollenspiel-Game weltweit. Dabei veröffentlicht Free League schwedische Rollenspielklassiker wie Dragonbane (Drakar och Demoner), visuelle Schmuckstücke wie Tales from the Loop und Electric State des schwedischen Künstlers Simon Stålenhag und weltbekannte IPs wie Alien, Blade Runner oder The Lord of the Rings. Ganz zu schweigen von weiterem coolen Zeug, wie Mörk Borg, Forbidden Lands, Symbaroum und Vaesen. Crazy! Und das alles mit höchst aufwendigen Layouts, die ihresgleichen suchen.

Dabei hat das Königreich Schweden lumpige 10,5 Millionen Einwohner. Deutschland müsste im Vergleich dazu einen achtmal so grossen Markt haben, Österreich oder die Schweiz einen mindestens vergleichbaren.

Die norwegische Rollenspiel-Kette

In Norwegen gibt es die Nerd-Ladenkette Outland. Die Läden gibt es nicht etwa nur in Oslo oder Trondheim, sondern auch in neun anderen Städten von denen du teilweise noch nie gehört hast: Bodö, Fredrikstad, Hamar, Jessheim, Porsgrunn, Stavanger, Tonsberg, Kristiansand und Bergen. Wie geht das?

Diese Läden sind ebenfalls kleine Gemischtwarenläden, sie führen von Rollenspielbüchern über Actionfiguren bis Harry-Potter-Krimskrams und Lego alles, was ein nerdiger Tourist begehrt. Hier betrittst du den Shop wegen der Schaufensterdekoration und verlässt den Laden mit einer Star-Wars-Tasse.

Was Outland (übrigens toller Name!) von unseren DIY-Läden unterscheidet, ist: professionelle Website, guter Webshop, regelmässiger Newsletter, wertige Ladeneinrichtung und eine kommerzielle Ausrichtung in Sachen Sortiment. Das spricht einheimische Otakus und neugierige Touristen gleichermassen an. Das bringt Laufkundschaft und Umsatz. Dass man bei gleich elf Läden mehr Einkaufspower hat, versteht sich von selbst: etablierte Logistik und Mengenrabatt, zwei Vorteile, die bei uns Restaurant-Unternehmer auch fleissig nutzen.

Fazit

Es gibt viele Faktoren, die auf eine florierende Nerd-Subkultur einzahlen: gewachsene Communitys, kreative Menschen, Offenheit gegenüber andersartigen Menschen, gutes Englisch ist weit verbreitet, es besteht eine gewisse Affinität gegenüber Geschichte, Wissenschaft, Kunst und Kultur.

Ich persönlich glaube, es ist ein Engelskreis (das Gegenteil vom Teufelskreis), nämlich, dass eine lebhafte Nerdkultur noch viel mehr Menschen ansteckt, lebhafte Nerds zu werden. Diese positive Feedbackschlaufe schaukelt das Nerdtum nach oben und sorgt für gute Umsätze und macht Wachstum in diesen Bereichen möglich, die Verfügbarkeit von Informationen und Artikeln lassen den Nerd-Anteil der Bevölkerung wiederum wachsen und so weiter und so fort.

Vielleicht könnte das auch bei uns funktionieren, würde die kritische Masse einmal überschritten, aber das ist nur eine Mutmassung… oder das Wunschdenken eines Nerds.

Ich möchte erfahren, wenn es neue Artikel gibt!

Kommentare

6 Antworten zu „Lobpreiset skandinavische Rollenspielläden“

  1. Avatar von Mueschel
    Mueschel

    Das Problemin Deutschland ist ja, wenn etwas hochgehypt wird, fällt es wieder tief. Und die Menschen, die es dann nicht gefällt suchen das Haar in der Suppe. Ich beneide Skandinavien für ihre Szene

  2. Avatar von Sadric
    Sadric

    Ich erinnere mich irgendwo vor vielen Jahren mal gelesen zu haben das Hobby Dinge in Schweden mehr Förderung bekommen als hier. Egal ob eine Gruppe Senioren die häkeln, eine Gruppe die sich zum Basketball spielen trifft oder eine Rollenspiel Gruppe. Leider finde ich dazu online nichts mehr, keine Ahnung ob das immer noch so ist. Aber es könnte an solchen Forderungen liegen.

    1. Avatar von Murphy
      Murphy

      Gut möglich! Es gibt ja auch eine Horde guter Musikerinnen und Musiker, respektive Bands aus Schweden. Kann sein, dass die da mehr unterstützen. War auch in Belgien lange so. Weiss nicht, wie es jetzt ist. Bands, die in anderen Ländern als „semiprofessionell“ gelten, wurden dort finanziell unterstützt, damit sie sich ganz auf ihre Kunst konzentrieren konnten. Tolle Sache!

  3. Avatar von D_M*Athair
    D_M*Athair

    Schau dir mal das Video auf https://ultra-comix.de/ an …
    Nerdkram-Laden geht auch in Deutschland. Auf 4 Etagen.

    1. Avatar von Murphy
      Murphy

      Da kriege ich den Mund vor lauter Staunen nicht mehr zu! Wow!

  4. Avatar von Kurt
    Kurt

    Tja die Leute in Deutschland haben leider andere Probleme.
    Die nordischen Länder sind für uns ja wie das Paradies, da kann man sich auch mehr mit dem coolen Zeug beschäftigen..

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