Everyone is John, Buch auf Deutsch (Rezension)

«Ein ungewöhnliches Rollenspiel», steht auf dem Einband des kleinen Softcover-Buches. Das ist nicht zu viel versprochen. Everyone is John ist aussergewöhnlich, jetzt auf Deutsch und in XL-Ausführung.

Ich habe HIER schon einmal über Everyone is John geschrieben. Lustig ist, dass so viele Rollenspielende das Spiel kennen, aber noch gar nicht so viele es schon gespielt haben.

Everyone is John ist ein lustiges, kurzweiliges und etwas verschrobenes Spiel. Die ursprünglichen Regeln passen auf eine A4-Seite, wobei bei diesen, in Englisch gehaltenen Regeln, manche Mechaniken gar nicht so klar sind. Es bleibt Interpretationsspielraum. Jetzt nicht mehr.

Pro Indie

Im Jahr 2019 gab es ein Crowdfunding des Brettspielverlags Gamer Nation Studios, um aus dem A4-PDF ein über 40-seitiges Booklet zu machen. Angeblich war das Baby in nur 8 Stunden finanziert. Dann hat der nordrhein-westphälische Indie-Verlag «Pro Indie» das Regelwerk von «Everyone is John» genommen und ein deutschsprachiges A5-Büchlein mit 64 Seiten daraus gemacht. Pro Indie verlegt übrigens auch andere tolle Sachen wie Fiasko, Earthdawn oder das surreale Itras By.

Künstlich intelligent illustriert

Das Artwork wurde in weiten Teilen per künstlicher Intelligenz gemacht. In den Credits steht dazu (entschuldigend oder begründend) «… ermöglicht uns, Hefte wie diese zu angemessenen Preisen herzustellen.» Ob das als Begründung reicht, sei dahingestellt. Sicher ist, ich bin froh, dieses glorreiche Rollenspiel in deutscher Sprache und in ausführlicher Buchform in den Händen zu halten.

Zufälliger Fund

Gefunden habe ich es an einer Convention, beim Rollenspielladen meines Vertrauens. Da lag es und wollte mit zu mir nach Hause kommen. Als der Ladenbesitzer mir auch noch von der unkomplizierten Art und dem Feuer der Verlagsleute in Deutschland erzählte, war der Fall noch viel klarer.

Szenarien à gogo

Das Wundervolle an dem Büchlein von Pro Indie ist, dass es nicht nur die Regeln verständlich, redundant und ausführlich beschreibt, sondern auch noch viele grandiose Szenarien vorschlägt. So bekommt man ein Gefühl für das Spiel, ohne es je gespielt zu haben. Randnotiz: Beispiele sind in viel zu wenigen Regelwerken und Abenteuern mit drin. Dabei sind sie oft genau so wichtig wie Illustrationen, um ein Gespür für das Setting oder die Regeln zu bekommen. Ich persönlich verstehe noch nicht einmal, warum Vorlesetexte so verhasst sind. Du entscheidest, ob du sie vorlesen oder nur als Inspiration nutzen willst; Randnotiz Ende.

John im Wilden Westen

Auch gibt es in dem Heft von «Everyone is John» eine ganze Menge Seiten, die einem helfen, das Spiel in ein bekanntes Genre zu hieven; sei dies Fantasy, Superhelden, Science Fiction oder Horror. Habe ich noch nicht probiert.

Ein Buch für alle Fälle

Als Buch kostet das Teil rund 15 Euro, als PDF findet man es für lau. Dennoch kann ich den Kauf gleich mehrfach empfehlen: Erstens sollen gerade kleine, unabhängige Verlage unbedingt unterstützt werden, zweitens ist das Büchlein schön und kompakt genug, um es überallhin mitzunehmen und drittens schlägt das Rollenspielherz höher, wenn ein komplettes Produkt wie dieses im Sammelregal steht.

Trägt Glatze mit Stil

Hervorzuheben ist ebenfalls die geile Cover-Illustration (Bild ganz unten), die zwar völlig anders ist, als die ebenso geile und einzige Illustration des Originals, aber auch wieder perfekt funktioniert. Auf dem Cover sieht man den haarlosen Hinterkopf eines Mannes im Anzug, anzunehmen ist, das es sich hierbei um John handelt. Die beiden Bildwerke, alt und neu, haben nichts miteinander zu tun. Aber irgendwie trifft der glatzköpfige Mann im Anzug perfekt das seltsame und trockene Spielgefühl von Everyone is John, obwohl ich mir John niemals so vorgestellt hätte. Durch den Anzug und die abhandengekommene Frisur hat John einen Wiedererkennungseffekt, sodass man ihn als Superheld, als Geheimagent und auch als Werwolf wiedererkennt.

Fazit

Ich mag Dinge, die kurz, knapp und auf den Punkt gebracht sind. Das Büchlein «Everyone is John» ist zwar die «Extended Version» eines A4-PDFs und dennoch ist kaum ein Gramm zu viel daran. Es ist nicht zu gross, nicht zu schwer, nicht zu lang und doch ist damit ein Mehrwert entstanden. Ich hoffe, auch der Erfinder Michael Sullivan bekommt davon seinen fairen Anteil, denn „Everyone is John“ ist einmalig und genial. Eine Once-in-a-lifetime-Idee und A-hell-of-a-Rollenspiel. Everyone is John ist crazy. Und crazy gut.

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4 Kommentare

  1. Ich habe das Spiel bislang nur geleitet, aber dabei immer sehr genossen. Agententhriller, Zeitreiseabenteuer, Intrige oder Endzeit, alles geht. Und immer ist es ein Fest, wie sich das Chaos zur Erzählung entfaltet.

  2. Ich tue mich etwas schwer damit die deutsche Ausgabe zu kaufen. Ich finde die Idee und die Umsetzung grundsätzlich gut und kleine Verlage wie Pro Indie sollten unterstützt werden.
    Aber … ich habe damals an dem englische CF teilgenommen und wie viele andere internationale Backer das physische Produkt nie erhalten. Es gab natürlich Gründe, die jedoch undurchsichtig wirkten. Erhält jetzt derjenige, der mir immernoch ein Buch „schuldet“, Lizenzgebühren (indirekt durch mich), wenn ich jetzt die deutsche Ausgabe kaufe?
    Is halt einfach blöd …

    1. Das ist total verständlich und eine Schande. Das mit den Lizenzgebühren verstehe ich nicht, aber ich kann dir nachfühlen. Ich habe Humblewood Tales vor zwei Jahren „gebackt“ und bis heute kein Buch erhalten. Auch habe ich schon einmal hübsche Würfel mitfinanziert, die nie produziert wurden. Ein Scam, wie es scheint.

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